Spagat zwischen den Frauen

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Eine politikwissenschaftliche Untersuchung analysiert die wahlstrategischen Motive hinter Jörg Haiders Frauenpolitik.

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Eine politikwissenschaftliche Untersuchung analysiert die wahlstrategischen Motive hinter Jörg Haiders Frauenpolitik.

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FPÖ-Frauen sind von dominanten Männern geprägt und haben ein ausgeprägtes Streben nach Gerechtigkeit. Dies ist die Kernaussage der Untersuchung "Die FPÖ und die Frauen" von Maria Rösslhumer, die rechtzeitig vor den Nationalratswahlen erschien. Die Politikwissenschaftlerin beschäftigt sich mit der Frauen- und Familienpolitik der FPÖ, geht auf die Parteigeschichte unter dem Blickwinkel der traditionellen Männerpartei ein und versucht in Interviews mit 14 FPÖ-Funktionärinnen zu entschlüsseln, welche Inhalte die FPÖ für Frauen interessant machen. Einige Gesprächspartnerinnen sind aktiv in der Politik tätig, andere aus der Partei ausgeschieden. Die Ergebnisse erweisen die Frauenpolitik der Freiheitlichen Partei als bloße Wahlstrategie. Die Autorin hat ihr Werk übersichtlich aufgebaut, die Ergebnisse sind nicht überraschend, doch gut nachvollziehbar und der Zugang zum Thema von wissenschaftlich Objektivität.

Unmittelbare Aktualität erhält die Untersuchung durch Jörg Haiders jüngste Versuche, den Frauenanteil in seiner Partei, vor allem den Anteil an Frauen in Führungspositionen, zu erhöhen. Vergleicht man diese Bestrebungen mit den Vorstellungen, die er noch in seinem Werk "Die Freiheit, die ich meine" vertrat, zeigt sich einmal mehr, wie dieser Politiker den Spagat zwischen seinen widersprüchlichen Positionen bewältigt. Maria Rösslhumer weist auf einige Aussagen über die Mutterrolle der Frau hin, die er als "biologisch vorbestimmt" erachtet, während, so die Autorin, "komplexe gesellschaftliche Phänomene wie die Zunahme der Ehescheidungen, geringe Geburtenrate, Drogensucht und Kriminalität von Jugendlichen ... oftmals den Emanzipationsbestrebungen der Frauen angelastet" werden.

Die Frage nach den Motiven seines Sinneswandels beantworten die Wählerstromanalysen der letzten Wahlen. Der FPÖ ist es als einziger Partei in den letzten Jahrzehnten gelungen, ihren Stammwählerkreis von Unternehmern und Arbeitgebern auch auf Arbeitnehmer zu erweitern. Der Großteil der FPÖ-Wähler waren und sind jedoch immer noch Männer. Zwar steigt der Anteil der Wählerinnen seit 1995 wieder, doch besteht nach wie vor ein großes Potential wahlberechtigter Frauen, welche die Freiheitlichen bisher nicht gewählt haben.

Nach dem Anti-Ausländer-Volksbegehren sank der Anteil an weiblichen Wählern stark, die Maßnahme dagegen war die Gründung der Initiative Freiheitlicher Frauen (IFF), die Frauenpolitik auf Parteilinie macht und gleichzeitig die erste Trennung von Familienpolitik und Frauenpolitik, wenn auch nur auf formaler Ebene, in Haiders Partei darstellt. Das Frauenvolksbegehren von 1997 wurde von der FPÖ allerdings nicht unterstützt, was einmal mehr die eigentlichen Interessen der Partei unterstreicht.

In den Interviews mit aktiven und ehemaligen FPÖ-Politikerinnen unternimmt die Autorin den Versuch, den Gemeinsamkeiten der FPÖ-Frauen auf die Spur zu kommen. Die Frauen kommen aus den verschiedensten sozialen Schichten und Berufen und nehmen oder nahmen in der Partei auch sehr verschiedene Positionen ein. Gemeinsam haben sie, daß sie von einem dominanten Vater, Brüdern oder vom Ehemann politisch geprägt wurden. Die meisten orientieren sich auch heute noch an männlichen Vorbildern, wobei Haider eine besondere Rolle einnimmt. Er war für einige der befragten Politikerinnen der Grund für den Eintritt in die Partei, ist Vorbild und Vertrauensperson zugleich. Die Frauen sind stark beeinflußt von seinem aggressiven Wortschatz und seinen Floskeln. Als zentrales Motiv für den Parteieintritt stellte sich das Streben nach Gerechtigkeit heraus. Die FPÖ-Frauen sehen sich als die Anständigen und Tüchtigen, die den kleinen Leuten helfen, sich gegen Ungerechtigkeiten zur Wehr zu setzen. In der Frauenpolitik arbeitet keine von ihnen aktiv mit. Sie legen Wert darauf, als emanzipierte Frauen zu gelten, wollen jedoch keine Emanzen sein. Die fehlende Quotenregelung der FPÖ beschäftigt sie ebensowenig wie die Tatsache, daß die Partei sich noch nicht zu einer geschlechtergerechten Sprache durchringen konnte. Emanzipation und Weiblichkeit zu vereinen, erscheint ihnen schwer vorstellbar.

Maria Rösslhumer stellt fest, daß jene Frauen unter den Befragten, die im Unfrieden aus der Parteiführung geschieden waren, einen politischen Bewußtseinsprozeß durchgemacht haben, der sie selbstbewußter werden ließ. Sie betrachten Frauenpolitik und Feminismus differenzierter als früher und können ihre Rolle als Frau in der Partei besser reflektieren. Zwar hat sich das äußere Bild der Parteipolitikerinnen in der letzten Zeit gewandelt. Dies geht mit der Anpassung an Jörg Haiders stets bemüht jugendliches Auftreten einher, das eine Partei suggerieren soll, die beweglich ist. Doch sind die Einstellungen und Haltungen dieselben geblieben, auch wenn die Frauen sich betont selbstbewußt und modern geben.

In einigen Aussagen erkennt man eine gewisse Naivität, wenn sie ihre Position in der Partei ihrer Person und Leistung zuschreiben, ohne zu bedenken, wieviel die Parteistrategie dazu beigetragen hat. Genauso naiv fügen sich die Frauen in ihre Rollen von Mutter und Ehefrau, ohne an bestehenden, veralteten Rollenklischees zu rütteln. Diese Einstellung zeigt sich auch in frauenpolitischen Themen, die kaum die bestehenden Macht- und Herrschaftsverhältnisse tangieren. Kritik gibt es weder an der Parteiführung noch an Funktionären. Konflikte werden nicht öffentlich ausgetragen. Die traditionelle Opferrolle der Frau wird auch übernommen, wenn frau gegen ihre Überzeugung stimmen muß.

Die Männerriege der FPÖ ist dennoch nicht überzeugt, daß Frauen in der Politik mehr Platz eingeräumt werden muß. "Obwohl einige der interviewten Frauen Jörg Haiders Strategien durchschauen, wollen sie nicht wahrhaben, daß sie für bestimmte politische Karriereziele benutzt werden und sich der Freiheitlichenchef hierbei einer Doppelstrategie bedient."

Die FPÖ und die Frauen. Von Maria Rösslhumer. Döcker Verlag, Wien, 1999. 191 Seiten, Pb. öS 248,-/e 18,02

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