Spannende Ausstellungen in Vorarlbergs Kirchen

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Ohne päpstliche Mäzene hätte Michelangelo die Sixtina nie schaffen können. Die Katholische Kirche Vorarlberg folgt dem historischen Beispiel: das Projekt "KunstKirche" holt zeitgenössische Kunst in die Kirchenräume.

"Wir wollten das Heilige Jahr ganz besonders gestalten, und haben lange über ein originelles Konzept nachgedacht", erklärt Walter Buder aus dem Pastoralamt der Diözese Feldkirch. Das Resultat kann sich sehen lassen. Ende 1999 schrieb die Katholische Kirche Vorarlberg einen Kunstwettbewerb zum Jubiläumsjahr aus. Die Pfarrkirche zur Hl. Dreifaltigkeit in Schwarzenberg, sowie die drei Jubiläumskirchen Hl. Kreuz in Bludenz, der Dom St. Nikolaus in Feldkirch und die Stadtpfarrkirche St. Martin in Dornbirn wurden zu "KunstKirchen", zu lebendigen Räumen, wo zeitgenössische Vorarlberger Künstler mit ihren Mitteln die Gestalt Jesu in der Gegenwart thematisieren.

Der liturgische Ablauf des Kirchenjahres spielt dabei eine wesentliche Rolle: In Schwarzenberg geht es im Herbst um den "heilenden und befreienden Christus", der Advent widmet sich in Bludenz der Gestalt Jesu in anderen Religionen, in der Fastenzeit wird im Dom zu Feldkirch nach dem "mitleidenden Christus" gesucht, zu Ostern zieht die Hoffnung der Auferstehung des Heilands in St. Martin in Dornbirn ein.

"Wir wollten keine musealen Kunstwerke, sondern Projekte, die mehrere Wochen in einer lebendigen Kirche verwurzelt sind und zu einem vitalen Dialog führen", sagt Buder. Das Echo der Künstler war enorm: 109 Arbeiten langten bis zum Einreichschluss Mitte März ein. Eine hochkarätig besetzte Jury, der neben dem Feldkircher Dompfarrer Rudolf Bischof und Generalvikar Elmar Fischer die Kunstexperten Friedhelm Mennekes aus Köln, Wilhelm Meusburger von der Vorarlberger Künstlervereinigung und Helmut Swozilek vom Landesmuseum in Bregenz angehörten, wählte die Sieger aus: "Artikel" von Gabriela Klocker, "Kosmos" von Swetlana Heger und Plamen Dejanov, "Krankenbett" von Gerti Hopp und Margot Meraner, sowie "Sile" von Ingo Springenschmid. Jedem Gewinner stehen 100.000 Schilling zur Realisation seiner Arbeit zur Verfügung.

Videos in der Kirche "Einige Leute aus dem Pfarrgemeinderat haben nicht gerade Purzelbäume vor Freude geschlagen. Natürlich gibt es Schwierigkeiten mit moderner Kunst in einer Kirche, aber von dieser Spannung erwarte ich mir Impulse, um Reaktionen und ein Gespräch in Gang zu setzen. Es gibt Offenheit genug, um mit der Kunst zu arbeiten", erwartet Buder die Realisation der Projekte mit vorsichtiger Spannung. Im September gab es ein zweitägiges Symposium, "Annäherungen", um den Nährboden für den Diskurs zu bilden.

Wirklich spannend wird der 13. Oktober: An diesem Tag wird in Schwarzenberg die erste "KunstKirche" von Prof. Eugen Biser eröffnet. "Ich war überrascht, dass meine Arbeit ausgewählt wurde", gibt Gabriela Klocker zu. Sie wird unter dem Stichwort "Artikel" drei Monitore in den Sitzreihen, inmitten der Menschen, anbringen. Darin werden Videos zu sehen sein, in denen ein Gebärdensprachendolmetscher die 30 Artikel der Menschenrechtskonvention übersetzt. "Ich wollte immer eine Arbeit in einem Kirchenraum machen", erklärt Klocker, warum sie am Wettbewerb teilnahm, obwohl sie der Kirche prinzipiell distanziert gegenübersteht. "Ich hab länger überlegt, das Thema des heilenden und befreienden Christus hat mich angesprochen. Ich finde, die Kirche verwirklicht Humanes in der Caritas, auch wenn sie in der Herabwürdigung von Homosexualität gegen die Menschenrechte handelt. Das hat aber mit meiner Arbeit nichts zu tun, denn Jesus ist jemand, der human gehandelt hat." Jeder Mensch, der ebenso handelt, ist für die Künstlerin ein Stellvertreter Jesu.

"Ich kenne einen Gebärdensprachendolmetscher. Dass jemand eine Sprache lernt, um anderen den Zugang zur Gehörwelt zu ermöglichen, fasziniert mich", sagt sie. Diese leise, humane Handlung erschien ihr wie keine andere passend für den Kirchenraum, in dem auch Stille herrschen muss. "Jesus als Heiler und Befreier kann den Zugang zum Raum nicht behindern, darf Messen und liturgische Veranstaltungen nicht stören", erklärt sie. Mit dem Pfarrer hat sie sich beim Aufstellen der Monitore gut verstanden, wie die Gemeinde auf die Installation reagiert, wird man am 13. Oktober sehen. Wenn der stille, humane Stellvertreter Christi als Nachbar in der Sitzbank auch nur einige zur Reflexion über die eigene Stellvertreterschaft anregt, ist schon einiges gewonnen.

Auch der "Kosmos" in Bludenz verspricht, spannend zu werden: 30 bis 40 Glaslampen werden vor den Fenstern der Kuppel installiert. Sie werden die Kirche in ein gelbes, kosmisches, universales Licht tauchen. Eine immaterielle Malerei, Zeichen der Öffnung für die gegenwärtige Kirche und ihre Gemeinschaft.

Grenzüberschreitend In Feldkirch werden sechs Krankenbetten zwischen den Säulen des Mittelgangs zum Nachdenken anregen. Die Betten sind gebraucht, sie stammen aus Vorarlberger Spitälern, Alten- und Pflegeheimen. In ihnen wurde gelitten, wie Jesus gelitten hat. Das Bett ist Schwelle zwischen Leben und Tod, in ihm sterben wir, genesen wir, werden wir geboren. Wer an den Krankenbetten im Dom während der Fastenzeit vorbeigeht, wird unweigerlich betroffen sein, an Leiden denken, das so gerne tabuisiert wird.

Die Auferstehung der Osterzeit entzieht sich jedem Bild: Der Künstler Ingo Springenschmid hat darauf eine Antwort gefunden. So, wie sich die Botschaft des Evangeliums verbreitet, sprengt seine Audioinstallation "Sile", eine Tonsequenz aus fragmentierten österlich-liturgischen Texten, den Kirchenraum. Sie wird auch auf den Marktplatz übertragen.

"KunstKirche" bricht wirklich grenzüberschreitend aus dem Jubiläumsjahr aus.

Für diesen Beitrag stellte die Diözese Feldkirch einen Druckkostenbeitrag zur Verfügung.

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