Sparsame Sehnsüchte

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Aus dem vernachlässigten Bundesmobiliendepot wurde das "Museum für kaiserliches Interieur".

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Aus dem vernachlässigten Bundesmobiliendepot wurde das "Museum für kaiserliches Interieur".

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Juwelen österreichischer Handwerkskunst moderten jahrelang vor sich hin. Bis auf ein paar Liebhaber und Spezialisten blieb der Schatz, der sich im Laufe der Jahrhunderte im k. u. k. Hofmobiliendepot angesammelt hat, nur Kennern und Wissenden vorbehalten. Mit dem Umbau der beiden Depotgebäude aus der Gründerzeit und der Erweiterung durch den Zukauf eines Biedermeierhauses inklusive Hoftrakt hat Wien nun ein Museum mehr. Etwa 145 Millionen Schilling hat der Ausbau gekostet, seit dem Sommer sind die ersten fertigen Teile zugänglich. Ab voraussichtlich 26. Oktober wird die Ausstellung zur Gänze zu bewundern sein.

Durch ein frisch renoviertes Biedermeierhaus in der Andreasgasse 7 betritt man das "Museum für kaiserliches Interieur". Gleich zur Rechten ist auch schon ein besonderes Kuriosum zu bewundern: das original erhaltene "ägyptische Kabinett" der Kaiserin Maria Ludovica. Die dritte Gattin Franz I. hatte einen romantisch-exzentrischen Wohngeschmack. Die Ausführung ihrer Vorstellung vertraute sie Franz Anton Graf Harrach an, der sich zum Architekten berufen fühlte. Das Ergebnis ist ein skurriles Sammelsurium freimaurerischer Formen mit ägyptischen Klischeevorstellungen. Erzherzog Franz Karl, der mit Gattin Sophie zum Nachmieter dieses ungewöhnlichen Damenkabinetts wurde, ertrug die auffällige Raumausstattung nicht lange und ließ sie entfernen. Das aufwendig gestaltete "ägyptische Kabinett" landete ziemlich rasch im Hofmobiliendepot.

Der Gang durch die Möbel der Habsburger und des Adels ist viel mehr als ein Gang durch österreichische Interieurgeschichte. Sowohl Liebhaber alter Möbelbaukunst als auch Geschichtsinteressierte kommen hier voll auf ihre Rechnung.

Die Ausstellung beginnt beim Reisemobiliar, das den Hofstaat immer auf seiner Reise zu diversen Sommersitzen begleitete. Das Innenleben eines solchen Stuhls ist zu sehen. Dabei gab es durchaus verschiedene Varianten. Standesgemäße Repräsentation bei größtmöglicher Ökonomie hieß die Forderung. Drei Klassen von Stühlen waren üblich: in Mahagoni für die Spitzen der Monarchie, Eiche für die Mittelklasse bei Hof, und grau gestrichenes Weichholz für den höfischen Unterbau. Dem bemühten Sparsinn der Habsburger ist es zu verdanken, daß diese Möbel noch erhalten sind.

"Pflegen und aufbewahren für die weitere Verwendung", sowie "das Decorum nicht beleidigen" waren Aufgabe der Depotwerkstätten. Die Liste derer, die mit der kaiserlichen Einrichtung zu tun hatten, liest sich eindrucksvoll: "Vergolder, Bildhauer, Tischler, Schloßer, Glaser und Spiegelmacher, Hafner, Spengler, Broncearbeiter, Kupferschmiede, Stukadorer, Mahler, Zimmer- oder Messingputzer" sind nur einige der Handwerke, die bei der "Herstellung in den allerhöchsten und höchsten Appartements" beteiligt waren. Doch auch die aufkeimende Industrie kam zu ihren Aufträgen: so belieferte die k. u. k. Linzer Wollzeugfabrik das Kaiserhaus. Allerdings gibt die Schau nicht nur Einblick in Handwerk und Gewerbe, sondern läßt auch auf Wohngewohnheiten, Geschmäcker und Charaktere der Habsburger schließen.

Vom Kinderzimmer zur Junggesellenbude bis hin zum Altersruhesitz - Interieurs beschreiben Lebensgeschichten. Anhand des Mobiliars der diversen Familienmitglieder erschließen sich neue Einblicke in das Leben der Habsburger. Kronprinz Rudolf erbte das Gemach der Carolin Auguste, einer Gemahlin Franz I. . Nach einer Orientreise 1881 ließ er sich daraus ein "türkisches Kabinett" machen. Sitzpölster, Unmengen von Teppichen und Tischchen mit orientalischer Einlegearbeit erweiterten den weiß-goldenen Rokoko-Charakter des Schlosses um ein bißchen "Tausend und eine Nacht"-Atmosphäre. Dort fühlte sich der vereinsamte Kronprinz scheinbar am wohlsten: es wurde zu seinem privaten Arbeitszimmer, in dem man nach seinem tragischen Tod viele persönliche Dinge fand. Dieses Zimmer spiegelt die stille Rebellion oder die tägliche Flucht eines Kronprinzen wider, der dem höfischen Zeremoniell zumindest in den eigenen vier Wänden entkommen wollte.

Karl I. beispielsweise entschied sich in Schloß Hetzendorf zum eher schlichten Empire-Stil, ließ sich Strom und Telefon einleiten, um trotz Wahl eines historischen Wohnstils am Stand der Technik zu sein. Franz Ferdinand wiederum zeigte sich von seinem Kunsterzieher Albert Ilg stark beeinflußt: Er wählte Neobarock im Stile Maria Theresias für seine bevorzugten Wohnräume.

Die Geschichte der Habsburger Wohnkultur illustriert die verschiedenen Geschmäcker, Strömungen, Sehnsüchte und Sparwünsche der Monarchen präziser als so manche Biographie. Maximilian von Mexiko wünschte sich für Schloß Miramare einen aus Eiche geschnitzten, schweren Eßtisch. In hilfloser Romantik strahlt dieses schwere, protzige Möbelstück eine dauerhafte Kraft aus, die von den Bildhauern Franz und Julius Hofmann durch skulpturähnlich gedrechselte Beine, eine schwere Rosette in der Mitte und ähnliches noch verstärkt wurde. Maximilian selbst, der Kaiser von Mexiko, hatte allerdings nie die Gelegenheit, auch nur einen Teller Suppe an der edlen Tafel zu verspeisen. Das Schicksal machte ihm einen unbarmherzigen Strich durch die Rechnung. Der Gegensatz zwischen dem für die Ewigkeit gebauten Möbelstück und dem gewaltsamen Tod des Auftraggebers könnte tragischer nicht sein. Das Mobiliar hat seinen Auftraggeber überlebt, die Sessel der Monarchie schmücken auch heute noch das demokratische Österreich.

Zu Staatsbanketten in der Hofburg greift man auf den Bestand des Mobiliendepots zurück: Der rotweiße Tafelstuhl des Kaisers Franz Josef dient immer noch bei Galadiners und Empfängen des Bundespräsidenten zu dem, zu dem er gedacht war: zum Sitzen.

Kaiserliches Hofmobiliendepot: Andreasgasse 7, 1070 Wien

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