Spider-Man bringt die Wende

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"Spider-Man: Homecoming" setzt nicht mehr nur auf irre Effekte und tolle Perspektiven. Der Film erfindet das Blockbuster-Kino neu: Endlich hören die Studios auf die Bedürfnisse ihrer Zuschauer.

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"Spider-Man: Homecoming" setzt nicht mehr nur auf irre Effekte und tolle Perspektiven. Der Film erfindet das Blockbuster-Kino neu: Endlich hören die Studios auf die Bedürfnisse ihrer Zuschauer.

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In Hollywood findet gerade ein kleiner Umbruch statt. Die Studiobosse haben nämlich etwas Essenzielles verstanden, dass den prosperierenden Fortbestand ihrer Zunft sichern könnte: Sie machen endlich wieder Filme für das Publikum, anstatt sich in seelenlosen Blockbustern ohne Story mit neuester Tricktechnik zu übertrumpfen. Doch eines sei vorweg gesagt: Die Action ist bei Actionfilmen immer noch das wichtigste, das ist klar. Weshalb man Filme wie "Spider-Man: Homecoming" eigentlich nicht mehr als Actionfilm bezeichnen kann. Trotzdem spielen Effekte und tolle Perspektiven, explodierende Autos und Gebäude sowie irrlichternde Gegenspieler immer noch eine große Rolle, aber "Spider-Man: Homecoming" ist ein neuer Typus des Blockbuster geworden, ganz ähnlich wie (wenn auch ganz anders als) "Wonder Woman", der im Vormonat startete und seither einen Rekord nach dem anderen bricht.

"Coming-of-Age"-Geschichte

Was ist also geschehen: Weil die beliebte Zielgruppe der Hollywood-Bosse, also die Teenager, mehr und mehr wie "Couch Potatoes" am Wochenende daheim bleiben und dort zu "Netflix" & Co. "chillen", war Feuer am Dach der Kinobetreiber. Die Zuschauerzahlen sanken in den letzten 15 Jahren um 20 Prozent. Das erfolgreiche Gegensteuern findet jetzt statt: In diesem Fall hat man sich auf die Ur-Geschichte dieser Comicfigur von Stan Lee besonnen (der heute 94-jährige Comiczeichner hat wieder einen Kurzauftritt im neuen Film): Im Zentrum steht kein Superheld, der die Welt retten soll, sondern ein 15-jähriger Schüler namens Peter Parker, der nach dem Biss durch eine radioaktiv verseuchte Spinne plötzlich Superkräfte entwickelt, mit denen er erst umzugehen lernen muss. Tom Holland ist die Neubesetzung von Peter Parker, und sieht angenehm jünger aus als die Vorgänger Tobey Maguire und Andrew Garfield. Maguire war bei Amtsantritt bereits 27. Holland ist erst 21 und hat das passende Milchgesicht.

Und weil man mit 15 ein Heranwachsender ist, ist "Spider-Man: Homecoming" auch mehr "Coming-of-Age"-Geschichte denn "Comic-Hero"-Wahnsinn. Peter Parker treiben Sorgen um die erste Liebe um (fortschrittlich: sie gehört einem afroamerikanischen Mädchen, wer hätte Hollywood das zugetraut?), aber auch jene um seinen Platz im Leben. Weshalb er den Spider-Man-Anzug erst einmal in der Nachbarschaft testet. Spider-Man tut also Gutes, er muss nicht die Welt retten, sondern nur eine alte Dame vor dem Klau ihres Portemonnaies. Sehr sympathisch und auch ein Plädoyer für mehr Zivilcourage.

Hochenergetische Alien-Waffen

Damit nicht genug: Der Bösewicht The Vulture (diabolisch-sympathisch: Michael Keaton), der mit hochenergetischen Alien-Waffen handelt, ist kein Weltvernichter, sondern ein Familienvater, der am Ende einen kurzen Showdown ertragen muss und daraus sogar geläutert hervorgehen könnte. Zumindest fast. Und: Im ganzen Film gibt es fast keinen Toten, auch das ist neu in Hollywoods Zutatenküche. Der Film ist darob nicht bloß ein Reboot einer erfolgreichen Comic-Reihe, sondern auch ein Zeichen dafür, dass man in Hollywood verstanden hat, woher der Wind weht: Man muss seine Zielgruppen kennen. Nicht auf sein Publikum zu hören, käme dem Todesurteil der Traumfabrik gleich.

Spider-Man: Homecoming

USA 2017. Regie: Jon Watts. Mit Tom Holland, Michael Keaton. Sony. 134 Min.

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