Spiegelbilder einer Zeit

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St. Paul im Lavanttal, eine Benediktinerabtei mit vielen Kostbarkeiten aus vergangenen Epochen, bietet heuer eine sehenswerte Barock-Ausstellung.

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St. Paul im Lavanttal, eine Benediktinerabtei mit vielen Kostbarkeiten aus vergangenen Epochen, bietet heuer eine sehenswerte Barock-Ausstellung.

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Stift Sankt Paul im Lavanttal wird zurecht als "Schatzkammer" Kärntens bezeichnet. Bekannt sind die Kostbarkeiten des kirchlichen Kunstgewerbes aus Romanik und Gotik. In der Ausstellung dieses Sommers wird das Barock gezeigt. Stiftseigene Objekte, ergänzt durch Leihgaben aus kirchlichem und privatem Besitz zeichnen "Spiegelbilder einer Zeit". In 18 Räumen wird dargestellt, wie diese damals ungeheuer neue Strömung alle Bereiche des Lebens ergriff, von den Anfängen gegen Ende des 16. Jahrhunderts bis zur Entfaltung eines ins Spielerische mündenden Prunkes.

Der Weg durch diese Ausstellung beginnt erst, wenn man die Räume mit dem Kunstgewerbe aus dem Mittelalter und der Renaissance durchschritten hat. Diese "Vorstufe" ist sinnvoll, denn sie erschließt das Auge für die Eigenart der barocken Kunst. Viele Einflüsse wirkten zusammen, um den Boden zu bereiten, sie alle sind durch exemplarische Objekte in der Ausstellung vertreten. Aus Ostasien kamen die ersten Porzellanfiguren, Luther und Erasmus sind dem Humanismus verpflichtet, Elfenbeinschnitzereien machen die griechische Antike lebendig. Dem Humanismus verdankt das Barock auch die Sorge um die Bildung des Volkes: auf dem Boden der Grundschule wuchs die Wissenschaft. Ernsthafte Fernrohre und Meßgeräte kontrastieren mit Spekulationen der Alchemie.

Über allen wachte der Landesherr, im Fall der Klöster waren es die Äbte, deren Porträts Höhepunkte der barocken Malerei sind. Doch Kriegsgeschrei durchbricht bald die repräsentative Würde der barocken Malerei. Historisch interessierte Ausstellungsbesucher studieren die Geißeln von Türkenkriegen und Erbfolgestreitigkeiten. Auch prachtvolle Verzierungen nehmen den Waffen nichts von ihrer Grausamkeit. Zwei Räume zeigen exemplarisch den Kontrast zwischen dem ärmlichen Leben der Bauern, deren Los die harte Arbeit war, und dem Prunk der Fürstenzimmer, die mit kostbaren Möbeln und vielen Bildern ausgestattet waren. Fromm aber waren beide Schichten der Bevölkerung, Gnadenbilder und Reliquienschreine sind Zeugnisse für die enge Bindung der Menschen an die Kirche.

Unter den Malern nimmt der "Kremser Schmidt" eine besondere Stellung ein. Sein "Letztes Abendmahl" gehört zu den tiefsten Werken dieses Malers. Die Ausstellung will aber nicht den Eindruck erwecken, das Barock habe sich nur mit dem Ernst des Lebens und mit dem Jenseits beschäftigt. Musik spielte eine wichtige Rolle und wird durch Instrumente und Notenhandschriften dargestellt. Da kann man erfahren, was etwa ein "Citrinchen" war, nämlich eine Art von Gitarre, kostbar ausgeführt und bestimmt nicht leicht zu spielen. Man versteht auch, daß Musiker beliebte Gäste waren, denn außer Kirchenmusik, Glocken und gelegentlichen Musikanten zur Volksbelustigung war das Barock eine "tonarme" Zeit.

Aber auch diese Zeit wollte gemessen werden. Kostbare Uhren wurden angefertigt - von der goldenen Taschenuhr bis zur Sonnenuhr mit eingebautem Kompaß. Auch das "Memento Mori", der Gedanke an den Tod, konnte die Lebensfreude nicht dämpfen. Wer es sich leisten konnte, tafelte mit geätztem Glas, Silberlöffeln und kostbarem Porzellan. Ein Teller aus einem Jagdservice von Du Paquier gehört zum frühesten erhaltenen Porzellan in Österreich. Die barocken Feste waren keine zahmen Angelegenheiten. Joseph II. sah sich sogar gezwungen, viele alte Feste zu verbieten.

Den Fürsten blieb immer noch die Möglichkeit, sich an den Raritäten ihrer Wunderkammern zu erfreuen, Muscheln, Elfenbein, Porzellan, jedes Material wurde zu kunstreichsten Gegenständen verarbeitet, und sage nur niemand, vieles davon sei eigentlich Kitsch. Der Besuch der Ausstellung wäre unvollständig ohne in der berühmten Bibliothek und dem Sommerrefektorium mit seinem prachtvollen Stuck zu verweilen. Überschäumende Lebensfreude, Not, Elend, Todesnähe, Prunk, alle diese Facetten des Barock werden in der Ausstellung lebendig.

Bis Ende Oktober

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