Die Aura hat Schach heute nicht verloren, viel aber von seiner Bedeutung in einem exponentiell breiter gewordenen Angebot an Unterhaltungsmöglichkeiten. Außerdem die ideologische Aufladung, die es zu Zeiten des Kalten Kriegs besaß. Dorthin zurück führt "Bauernopfer - Spiel der Könige", der die Biografie von Bobby Fischer aufrollt, jenem Amerikaner, der 1972 die sowjetische Vorherrschaft im Schach unterbrach, als er Weltmeister Boris Spasski entthronte. Immer mit den bizarren späteren Jahren im Hinterkopf -Fischer fiel gegen Ende durch krude Attacken gegen die USA, die Leugnung des Holocaust und seine Flucht nach Island auf, wo er 2008 starb - sammelt Regisseur Edward Zwick ("Last Samurai","Blood Diamond") Vorzeichen und Symptome, wie einem brillanten Geist Stück für Stück der Verstand geraubt wird. Wo etwa die mütterliche Wohnung wegen Verdachts auf kommunistische Betätigung überwacht wird, kann der erwachsene Bobby nie mehr das Gefühl abschütteln, dass Kamerasucher auf ihn gerichtet sind und Mikrofone mitlaufen. Dämonen plagen auch Spassky, sein Gegenüber, in dessen Rolle Liev Schreiber nicht nur durch seine Körpersprache brilliert, wie der Film überhaupt hochwertig besetzt ist.
Stimmung von 1972 wiedergegeben
Bevor er und Toby Maguire als innerlich gerüttelter Fischer ein Psychospiel rund ums Spiel der Denker aufführen, präsentiert Zwick Schach und den Kalten Krieg als verwandte Extreme, die hier eine Allianz eingehen: Das eine bringt menschlich, das andere die Menschheit an den Abgrund. Und jene, die das Risiko in Kauf nehmen.
Ausgiebig feilt er daran, die Stimmung von damals wiederzugeben, imitiert nicht immer ganz glücklich den Look und die Medien der Ära. Zwischen blumigen Aussagen und Metaphern - wie dem Kaninchenbau aus "Alice im Wunderland" - bleiben es die Charaktere, die am meisten locken, diese Episode der Geschichte nachzuempfinden.
Bauernopfer - Spiel der Könige (Pawn Sacrifice)
USA/CDN 2014. Regie: Edward Zwick. Mit Tobey Maguire, Liev Schreiber. Constantin. 115 Min.
