Spionage-Thriller in einer nostalgischen Welt

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In spannungsreicher Hollywood-Dramaturgie hat Nicolaus Hagg für die Festspiele Reichenau das k&k-Agentenstück "Spion Oberst Redl“ entwickelt, das Liebesgeschichten, Machtansprüche und strategische Kriegsführung verbindet.

Die Geheimnisse rund um die Figur des Alfred Redl (1864-1913) sind längst beliebter Stoff für literarische Bearbeitungen. Als bekannteste gilt István Szabós Verfilmung (1984) mit Klaus Maria Brandauer als karrierebewussten und supersensiblen Spion. In Reichenau versetzt Haggs Stück das Publikum in eine Stimmung der Nostalgie: als Österreich noch monarchistisch regiert, in Aristokratie, Bürgertum, Militär geordnet war, feudale Salons geführt und fürstliche Hochzeiten gefeiert wurden. Dieses Bedürfnis nach einer vornehmen Welt manifestiert sich noch heute am Interesse an Prinz Alberts Hochzeit und Otto von Habsburgs Begräbnis.

Akteure im Stil der Monarchie

Schließlich sind seit den Machenschaften des Doppelagenten Redl keine hundert Jahre vergangen. Dieser Sehnsucht nach Auseinandersetzung mit dem alten Österreich trägt Reichenau theatralisch erfolgreich Rechnung.

In Michael Gampes Regie sind alle Typen vertreten, die den Vorstellungen der Donaumonarchie entsprechen: Der ehrgeizige Streber-Hauptmann Freiherr von Unguary, der spielsüchtige Redl-Geliebte Leutnant Horinka, der cholerische General Kiesling sowie der jüdische Leutnant Weizmann (von Hagg selbst gespielt), der zum Katholizismus konvertiert und am Ende, als Redl in der Kirche Zuflucht sucht, Tröstungen spricht. Neben dem bunten Herrenensemble kommen die Damen eher klischeehaft weg: Johanna Arrouas spielt die kränkliche Schwester des Kaplans, Emese Fay hat einen kurzen Auftritt als Redls Schwester, Sona MacDonald gibt die russische Spionin Worowka, die unter dem Codewort "Opernball“ die Aufmarschpläne der Monarchie einfordert. Marcello de Nardo ist als Titelheld absoluter Sympathieträger. Verstärkt durch den Auftritt seines Kind-Ich (Julius Hagg) schafft er einen verletzlichen, aufgrund seiner Homosexualität erpressbaren Menschen, der selbst zum politischen Spielball wird. Am Ende zeigt sich Erzherzog Franz Ferdinand (Miguel Herz-Kestranek) als eigentlicher Drahtzieher hinter all den Machenschaften, welcher mit Menschenleben spielt. Trotz Fokus auf den Spionage-Thriller gelingt Hagg auch ein Augenzwinker in die Gegenwart, wenn er ironisch auf die Verhältnisse anspielt: "Das wär’ ja was ganz Neues, wenn einer wegen seiner außergewöhnlichen Leistungen was wird!“

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