Sprache - ein Instrument für alle

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Die Sonne scheint auf Gerechte und Ungerechte, die einstmals soziale Errungenschaft des Ferragosto - also des vom Kaiser selbst zum hitzefrei erklärten Tag der Arbeitsbefreiung, auch für Sklaven - macht milde. Und so sei in der heutigen Deutsch-Stunde auch einmal ein Plädoyer gehalten für Wildwuchs und Dekorsettierung. Rechtschreibung ist wie Rechtsprechung. Zwar ist man nicht auf hoher See, aber der Verlauf ist oft verblüffend, das Ergebnis oft ebenso umstritten wie Glückssache, und überhaupt dringen in die Tiefe der Sache nur wenige Spezialisten vor. In der Justiz bleibt der Instanzenzug, bleibt die Berufung. Doch in der Sprache - hier steht das Gewohnte gegen das Gelernte, das Alte gegen das Neue. Das Nachvollziehbare gegen das Unbegreifliche. Jederfrau und -mann kommen mit dem einen wie dem anderen Regelwerk permanent in Kontakt. Schützt im einen Fall Unwissenheit nicht vor Strafe, so gilt sie im anderen als deutlicher Hinweis auf Bildungsmangel, soziale Stufe, dient als Instrument arroganter Distinktion.

Die Sprache geht durch Thür und Tor

Beharrt ein Autor auf der "alten“ Rechtschreibung, so beschreibt er damit bestenfalls einen Status ante quem, einen eingefrorenen Posthornton, etwas, das zu einem bestimmten Zeitpunkt als einzig richtig galt, nunmehr aber als so etwas von grundfalsch, dass man aus dem Kopfschütteln gar nicht mehr herausfinden möchte. Aber es ist ihm lieb und wichtig.

Danke, Herr Duden! Gegen manchen anderen und besseren Vorschlag zur Reform und Vereinheitlichung hat sich der vor hundert Jahren verstorbene Schulmann mit seinem hochkomplexen, oft logikfernen (oder Logik fernen?) Regularium durchgesetzt. Es ist schön, dass es solche Normen gibt, und sie haben Verbindlichkeit in der Schule, in Zeitungen und in der Amtssprache. Den vielen Menschen aber, die privat und aus Freude schreiben, den Dichtern und den Liebenden, sei ans Herz gelegt: die Sprache ist etwas Lebendiges, und es schreibe ein jeder, wie ihm die Feder gewachsen ist. Sie ist ein klingendes Instrument, und nicht nur Philharmoniker dürfen Geige spielen. Die endgültige Wahrheit mag sich beim Jüngsten Gericht erweisen. Womit wir wieder bei der Rechtsprechung angelangt wären ...

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