Staat und religiöse Toleranz

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Staat bewertet nicht

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Staat bewertet nicht

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D er demokratische Rechtsstaat hat die aktive und passive Religionsfreiheit seiner Bürger zu gewährleisten: nicht mehr und nicht weniger. Er hat die Freiheit zur Religion und die Freiheit vor Religion zu sichern: für jeden und jede, solange sich ihre religiöse (oder atheistischen) Praktiken und Anschauungen innerhalb des demokratischen Verfassungsrahmens bewegen. Und dann hat er - möglichst neutral - die institutionellen Beziehungen zu den verfassten Religionsgemeinschaften zu regeln. Anders als in Frankreich, wo ein striktes Trennungsmodell von Staat und Kirche gilt, anders auch als in Ländern, wo es noch Staatskirchen gibt (etwa England), ist in Österreich ein Kooperationsmodell von Staat und Religionsgemeinschaften etabliert - zu beiderseitigem Vorteil.

Der Staat hat nur eine sehr beschränkte Kompetenz auszuwählen, wen er in dieses Kooperationsverhältnis aufnimmt. Denn er hat keine religiösen Anschauungen zu bewerten, solange diese den Werterahmen der Verfassung nicht verletzen. Andererseits gibt es natürlich pragmatische Abgrenzungs- probleme, die im Rahmen der demo- kratischen Willensbildung und eventuell einer verfassungsrechtlichen Überprüfung zu regeln sind.

Die Konfessionsgeschichte des Christentums hat nicht nur die religiöse Freiheit, sondern auch das Christentum selbst beschädigt. Die Kultur des wechselseitigen Ressentiments etwa, die lange herrschte, war zutiefst unchristlich. In der frühneuzeitlichen Kirchenspaltung polarisierten sich zudem für das Christentum konstitutive Spannungen, etwa jene von allgemeinem Priestertum und Weihepriestertum oder von Wort und Ritus, fast bis zum Bruch. Und die Pole verlagerten sich auf unterschiedliche kirchliche Sozialräume. Die ökumenische Bewegung, die das zum guten Teil korrigierte, hat hier unschätzbare Verdienste.

* Der Autor ist kath. Pastoraltheologe an der Universität Graz

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