Starke Frau - schwaches Stück

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Benjamin Britten zählt zu jenen Komponisten, die gerne für bedeutende Interpreten geschrieben haben. Besonders oft für seinen Lebenspartner, den Tenor Peter Pears. Seine früheste Kammeroper, zugleich nach "Peter Grimes“ sein zweites Stück für Musiktheater, schneiderte Britten einem anderen großen Künstler auf den Leib: der legendären Altistin Kathleen Ferrier. Dirigent der Uraufführung 1946 im Opernhaus von Glyndebourne war Ernest Ansermet. Später hat sich aus der Tourneetruppe der Uraufführung mit der English Opera Group jene Formation entwickelt, für die Britten zahlreiche weitere musikdramatische Stücke komponierte - wie "Albert Herring“ oder die Kirchenoper "The Turn of the Screw“.

Dass man beide Werke öfter hört als "The Rape of Lucretia“ ist einfach erklärt: Diesem Zweiakter fehlt es musikalisch insgesamt an dramatischem Atem. Denn das Libretto, hier vor dem Hintergrund römischer Kriegsgeschichte entwickelt, womit zugleich der Gründungsmythos der Römischen Republik bemüht wird, hat es in sich. Schließlich geht es nicht, wie man aus der Übersetzung des Stücktitels glauben könnte, um einen Raub, sondern um Schändung. Mehr noch: um die gewaltsame sexuelle Unterdrückung Lucretias durch den nicht von Liebe, sondern von egoistischem Drang nach Sex erfüllten, in der Wahl seiner Mittel keine Brutalität scheuenden Feldherrn Tarquinius.

Handlung auf zwei Bühnenebenen

Britten setzt auf ein klein besetztes Orchester und wiederkehrende Tonfolgen, die leitmotivisch eingesetzt werden. Er arbeitet die hier angesprochenen unterschiedlichen Stimmungen zwar insgesamt überzeugend heraus, findet zwischen diesem großen Bogen, der vom optimistischer Helle bis zu von Verzweiflung erfüllter Dunkelheit führt, aber nicht immer die gemäßen Mittel, um gleichmäßig Spannung zu garantieren.

Da half auch nicht, dass Regisseur Keith Warner für die beiden Chorus-Figuren (makellos Kim Begley und Angel Blue) eine eigene Handlung erfand, dementsprechend die Handlung auf zwei Bühnenebenen ablaufen ließ. Auch deswegen nicht, weil nicht klar wurde, was er damit aussagen wollte. Dafür, dass Personen, egal, in welcher Beziehung sie zueinander stehen, ein- und dasselbe Themen unterschiedlich deuten, hätte es nicht dieses Paars bedurft. Das hätte sich schon aus dem Libretto, das heidnische und christliche Gedanken bewusst mischt, gewinnen lassen.

Undenkbar, wenn hier nicht so aufregende Interpreten wie Jonathan Lemalu (Collatinus), Markus Butter (Junius), Nathan Gunn (Tarquinius), vor allem eine alle Register ihrer vokalen und schauspielerischen Kunst ziehende Angelika Kirchschlager als mitreißend ihr Schicksal demonstrierende Lucretia, bestens assistiert vom Klangforum Wien unter der kompetenten Sian Edwards, am Werk gewesen wären. Mit ihrer Intensität ließen sie die übrigen Schwächen dieses Abends beinahe vergessen …

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