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Ich Andy Warhols Blick auf Popstars in der Albertina.

Ein Malerstar umgibt sich mit den Stars aus der Musik-und Filmszene, um sie zu porträtieren. Die perfekte Ergänzung zur gegenseitigen Nobilitierung. Mick Jagger ließ sich nur von Andy Warhol porträtieren und Andy Warhol porträtierte nur Stars, die mindestens so glänzten wie Mick Jagger. Zwei Sonnen, die sich wechselwirkend bescheinen, leuchten umso heller. Der Marktwert, den die in der Albertina bildlich Versammelten erzielen, scheint dem Kalkül Recht zu geben. Und obwohl dies alles stimmt, führt Warhol in seinen Porträts noch eine ganz andere Strategie vor.

Der 1928 in Pittsburgh geboren Andrew Warhola, Sohn von Einwanderern aus der Slowakei, absolvierte eine Ausbildung als Gebrauchsgrafiker, die sehr dem New Bauhaus in Chicago, das der Deutschlandflüchtling Lászl\0xF3 Moholy-Nagy gegründet hatte, verpflichtet war. Dort galt die Regel, dass die Form der Funktion folge, ein idealistisches Schwadronieren über die Erhabenheit der hohen Kunst und der damit verbundenen Abwertung von populärer Kunst wurde damit schlichtweg irrelevant. Kunst ist Kunst, auch wenn sie populär ist, und Kunst ist auch nur dann Kunst, wenn sie so etwas wie Formvollendung erreicht, was ihr auch dann gelingt, wenn die Form nicht vollendet, sprich fertig gemacht ist. Ab 1949 trifft man in New York auf Andy Warhol, der sich daran macht, aus der Werbegrafik eine hohe Kunst zu machen - selbstverständlich indem er weiterhin Werbegrafik betreibt.

Bereits in den späten 40er Jahren hatte Warhol mit der "blotted line" jene Technik entwickelt, die ihn weiterhin durch alle technologischen Neuerungen, wie dem Siebdruck etwa, begleiten sollte. Eine Fotografievorlage wurde zumeist auf eine Glasplatte mit Tinte durchgepaust und dann wurde davon ein Abdruckt gemacht. Warhol gelang damit der Spagat zwischen einer autarken Linienführung bei gleichzeitig reproduzierendem Vorgehen. Er bleibt damit zwar noch dem herkömmlichen Künstlerbild, des Handwerkers mit der unverkennbaren Handschrift verhaftet, ohne darin romantisch aufzugehen, sondern erweitert diese Fähigkeit zum souveränen Umgang mit modernen bildgenerierenden Werkzeugen - heute würde er sicherlich mit dem Computer arbeiten. Letztlich ist damit eine demokratische Grundhaltung auch im künstlerischen Bereich angepeilt, die gemäß der Feststellung des einflussreichen Philosophen John Dewey, dass jeder kreativ sei, dem Künstler die Rolle des Primus inter Pares zuspricht.

Wenn Warhol Stars porträtiert, so unterzieht er sie einem mehrfachen Befreiungsprozess. In der Form der Bleistiftzeichnung wie auch in der Collagetechnik entreißt er sie den glatten Oberflächen des Marketings. Rod Stewart begegnet hässlich entstellt, Michael Jackson so kindlich, wie er es auch als Erwachsener wahrscheinlich weiterhin bleiben wird. Die Fotografie schenkt den Stars in der üblichen Kulturindustrie ihre falsche Ewigkeit, Warhol entbindet sie wieder dieses Verherrlichungsprinzips, macht sie zu Stars wie Du und Ich. Unweigerlich erinnert man sich an seinen Ausspruch, dass in Zukunft jeder Mensch 15 Minuten lang berühmt sein wird. Erst wenn sich die Allgemeinplätze zu einer umfassenden Feier aufschwingen, brechen sie als ein Kunstereignis über uns herein.

Freilich bedarf es dazu der dramaturgischen Qualität, wie sie Warhol in seinen Arbeiten vorführt. Er rührt mit seinen Starbildern auch an die Religion im Zeitalter ihrer kapitalistischen Reproduzierbarkeit, denn der "Star-Gott und die Star-Ware sind zwei Seiten der Wirklichkeit: menschliche Bedürfnisse auf der Bühne der kapitalistischen Zivilisation des 20. Jahrhunderts", wie der Anthropologe Edgar Morin feststellte.

Andy Warhol

Popstars. Zeichnungen und Collagen

Albertina, Albertinaplatz 1, 1010 Wien

Bis 18. 2. tägl. 10-18, Mi 10-21 Uhr

Katalog: Andy Warhol, Popstars, Wien 2006, 132 S, Euro 22,-

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