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Selbstwert-Injektionen dauern in der Popmusik vier Minuten. Christina Aguilera versichert, man sei schön, egal was die Leute sagten, während Taylor Swift rät, Schmähungen tanzend abzuschütteln. Was an neuer Bedeutung gewinnt, wenn sich eine mehrfache, zu Hause für selbstverständlich gehaltene Mutter das Lied zu eigen macht. In diese Kerbe schlägt die Animationskomödie "Sing" mit ihrer anthropomorphen Castingshow. "Echte Talente aus dem wahren Leben" nennt es der windige Koala, der damit sein marodes Theater retten will. Ein Tippfehler beim Preisgeld, und die Bewerber stehen Schlange, mit großen Träumen und Hemmschuhen. So soll Gorilla Johnny eigentlich in die Gangster-Fußstapfen seines Vaters treten, die Stachelschweindame Ash wiederum lebt in einer ungesunden Beziehung. Die Charakter-Beschau, auch sie ist ein Grundelement der Casting-Maschine. Noch mehr ähnelt die Mischung aus Persönlichem, Ohrwürmern in Neuinterpretation und einem gewissen Chaosfaktor aber den sehenswerten Anfangstagen der Musical-Serie "Glee", um perfekt abgestimmt in jene Momente hinein zu steigern, die schließlich mitreißen.

Während sich das noch junge Produktionshaus Illumination Entertainment ("Ich - einfach unverbesserlich") damit weiter etabliert, ist "Sing" zugleich Vertreter eines Modells, das in der neuesten Generation der Hollywood-Animation Rückenwind erhält: eine verstärkte Durchlässigkeit zum Realfilm, hier etwa wenn Garth Jennings, bekannt für das Jugendabenteuer "Der Sohn des Rambow", Buch und Regie übernimmt. Einen Ansatz wie diesen verficht genauso die Warner Animation Group, ein Kreativenpool, der den einstigen Zeichentrickgiganten und seinen Rechtekatalog revitalisieren soll. Neben diversen "Lego"-Ablegern z. B. ist dort deshalb auch der nächste "Scooby-Doo" in Planung.

Der neue Zugang zählt dabei, nicht die Neuerfindung. Mehr noch die neuen Plattformen und deren Befütterung, etwa mit dem Smartphone-Spiel, das zu In-App-Käufen verleitet. Die Vorbereitungen auf die nächste Technologie, die Virtuelle Realität, sind längst am Laufen, wie heuer ein Schwerpunkt beim Festival von Annecy unterstrich. Zu den dortigen Pionieren, auch wenn ihr Ruf auf Traditionellem wie "Wallace &Gromit" beruht, zählen die Briten von Aardman. Jüngst schufen sie für die BBC "We Wait", eine Simulation, die in die Haut eines Flüchtlings an Bord eines Boots im Mittelmeer versetzt. Auf "Sing" umgelegt heißt das: Demnächst wird es auch verlangt sein, sich eine der Figuren aussuchen zu können, die Brille aufzusetzen und virtuelles Karaoke zu machen. Vorerst reicht aber das passive Erlebnis.

Sing

USA/F 2016. Regie: Garth Jennings, Christophe Lourdelet. Universal. 108 Min.

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