Statt Hitparaden neue Fragestellungen

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Sabine Breitwieser, die Direktorin des Museums der Moderne in Salzburg, über die Herausforderungen ihrer neuen Aufgabe.

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Sabine Breitwieser, die Direktorin des Museums der Moderne in Salzburg, über die Herausforderungen ihrer neuen Aufgabe.

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Seit September vorigen Jahres leitet Sabine Breitwieser das Museum der Moderne in Salzburg. Von 2010 bis 2013 arbeitete sie als Chefkuratorin für Medienund Performancekunst am Museum of Modern Art in New York. In Österreich war sie Gründungsdirektorin der Generali Foundation in Wien und erwarb als deren Kuratorin in den Jahren von 1988 bis 2007 eine bedeutende Sammlung österreichischer und internationaler avantgardistischer Kunst, die heute rund 2100 Werke von 250 Künstlern und Künstlerinnen umfasst. Diese früheren Kontakte stellten sich jetzt als besonders nützlich heraus. Am 17. Jänner stellte die Direktorin das Modell einer auf 25 Jahre angelegten Partnerschaft zwischen dem Museum der Moderne und der Generali Foundation vor. Der gesamte Bestand soll bis Ende 2015 von Wien nach Salzburg übersiedelt werden. Voraussetzung dafür ist ein Depot von 3000 Quadratmetern, das im nächsten Jahr bezugsfertig sein soll. Eine Ebene des Museums soll in Zukunft für Objekte aus der Sammlung reserviert sein. Damit macht das Museum den Mangel, selbst über keine herausragende Sammlung zu verfügen, wett. Im internationalen Wettbewerb stärkt es seine Position als ein Partner, der nicht nur auf die Gunst großer Leihgeber angewiesen ist, sondern im Gegenzug für Sonderausstellungen auswärts wichtige Werke beitragen kann. Von den sechziger Jahren bis in die unmittelbare Gegenwart liegt ein einzigartiger Bestand an zu ihrer Zeit nicht kanonisierter Kunst vor. Ein Schwerpunkt liegt auf Konzeptkunst, medien-und gesellschaftskritischen Arbeiten sowie auf der Kunst von Frauen. Unter den hoch gehandelten Künstlern finden sich Harun Farocki, Valie Export, Bruno Gironcoli, Bruce Nauman, Dennis Oppenheim, Isa Genzken, Gordon Matta-Clark, Gerwald Rockenschaub, Franz West, Dan Graham und Paul McCarthy.

DIE FURCHE: Der Schritt von New York nach Salzburg ist kein kleiner, zumal Sie die Arbeit in einem amerikanischen Museum von Weltformat aufgeben zugunsten eines übersichtlichen österreichischen Hauses. Sie haben das gemacht, wie schaut das Kalkül dahinter aus?

Sabine Breitwieser: Das Kalkül ist so, dass es bestechend ist, wieder ein eigenes Haus zu leiten und etwas gestalten zu können. Ich habe sehr viel gearbeitet in den drei Jahren in New York, viele Kontakte geknüpft, sehr viel gemacht. Aber es war klar, dass, wenn man einmal ein Haus geleitet hat, das wieder einmal machen will. Dass es mich nach Salzburg verschlägt, hätte ich mir aber in meinen wildesten Träumen nicht vorstellen können. Nach mehrmaligem Nein-Sagen habe ich mir dann doch gedacht, dass es eine interessante Aufgabe sein kann. Es gibt viel zu arbeiten, aber das fühlt sich gut an.

DIE FURCHE: Wenn Sie von gestalten reden, wollen Sie dem Haus eine eigene Handschrift verpassen.

Breitwieser: Es geht nicht nur um die eigene Handschrift, sondern auch um das, was in Österreich politisch wichtig wäre. Und es geht um die Handschrift des ganzen Teams. Es sind nicht die eigenen Vorlieben von Bedeutung, es geht um Überzeugungen, um das, was wichtig ist, vielleicht auch um das, was fehlt in diesem Land. Ich sehe meine Arbeit als eine politische Aufgabe.

DIE FURCHE: Wie muss ich mir Österreich im internationalen Vergleich vorstellen? Stellen wir etwas dar? Gibt es uns überhaupt?

Breitwieser: Das glaube ich schon. Es gibt natürlich Künstler und Künstlerinnen, die sehr wohl international wahrgenommen werden. Der Vorteil in einem kleineren Haus kann sein, dass man Speerspitze werden kann, was man mit einem großen, flagschiffartigen Unternehmen nicht so leicht machen kann. Man kann beweglicher agieren. Aber man kann durchaus noch mehr wahrgenommen werden.

DIE FURCHE: Kann man Ihre Antworten als eine Absetzbewegung von Ihrem Vorgänger werten?

Breitwieser: Ich weiß nicht genau, wie Toni Stooss gearbeitet hat. Ich habe andere Arbeitsstrukturen. Ich will ein Team aufbauen. Wenn man mit einem Team arbeitet, bekommt man es mit Organisationsfragen zu tun. Es geht um Strukturfragen, wie sieht die Struktur eines Museums aus und was kann ein Museum heutzutage leisten. Wir arbeiten immer mehr wie Unternehmen und setzen auf kooperative Strukturen. Das interessiert mich alles, weil ich denke, dass eine Organisation sehr wohl Auswirkung auf die Inhalte hat. Ich bin eine Museumsfrau, die sich sehr für diese Fragen interessiert. Vielleicht ist das ein Unterschied zu meinem Vorgänger, der sich vorwiegend auf die Ausstellungsinhalte konzentriert hat und auf große Namen vorwiegend der klassischen Moderne gesetzt hat.

DIE FURCHE: Das Museum konnte bislang mit hervorragenden Besucherzahlen punkten. Denken Sie, dass Sie die Leute mit einem jetzt eher avantgardistischen Programm halten? Sie wollen gar neue Besucherschichten ansprechen ...

Breitwieser: Es stimmt, das Haus hat sehr gute Publikumszahlen. Salzburg ist ja auch ein sehr guter Ort für Bildende Kunst, ein gesuchter Ort - und das nicht nur zur Festspielzeit. Wir werden das Programm einbinden in die Bevölkerung hier. Es geht mir nicht nur um eine Hitparade von Namen und Werken, sondern auch immer um bestimmte Fragestellungen. Es gibt Überlegungen, wie sich das Museum im Rahmen der Salzburger Festspiele im Sommer positionieren kann. Und ist ein Dialog vorstellbar, der sich mit etablierten Institutionen wie der Internationalen Sommerakademie ergibt? Das sind Fragen, aus denen sich noch etwas Neues entwickeln kann.

DIE FURCHE: Wie müssen wir uns die Programmgestaltung vorstellen?

Breitwieser: Ich sage nicht, wir zeigen den und den Künstler, ich versuche ihn einzubinden und zu überlegen, warum man jemanden zeigt gerade hier und jetzt, unabhängig von Fragen der Qualität. Es geht nicht so sehr darum, was Sabine Breitwieser spannend findet -das ist schon die Voraussetzung, das ist klar, aber es ist nicht das einzige Kriterium. Es darf ein Programm nicht einfach immer beliebiger werden.

DIE FURCHE: Wie kommen Sie zu einem internationalen Publikum?

Breitwieser: Ich glaube schon, dass das Programm ein internationales Publikum anziehen wird. Es gibt Leute, die ihre Reisen in Europa so organisieren, dass sie bestimmte Ausstellungen wahrnehmen können. Vielleicht lässt sich auch Aufmerksamkeit schaffen für Leute, die noch nicht die ganz große Wahrnehmung bekommen haben.

DIE FURCHE: Ab März zeigen Sie eine große Personalausstellung der aus Kuba stammenden, 1985 sehr jung in den USA verstorbenen Künstlerin Ana Mendieta. Sie wird bei uns nicht vielen Menschen bekannt sein.

Breitwieser: Es gab im Rahmen der Generali Foundation einmal in einer Gruppenausstellung einen Teil ihrer Arbeiten zu sehen. Sie war eine, die mit intensivem Körpereinsatz sich den Fragen der Identität stellte und ihre kubanische Herkunft mit westlichen Traditionen zusammen brachte. Sie ist eine, die Körper, Identität und Natur in Kunst übersetzt und die Rolle der Frau weiterdenkt. Es gab damals sehr viel Rückmeldung. In den USA ist sie eine Heldin. Ich glaube schon, dass wir für den deutschsprachigen Raum etwas bewirken können. Schön, dass man so eine Aufgabe noch wahrnehmen kann. Es ist doch großartig, wenn man glaubt, dass eh schon alles abgegrast ist, dann so etwas zu machen.

DIE FURCHE: Geht es Ihnen darum, den Kanon aufzumischen?

Breitwieser: Das geschieht sowieso. Das ist auch eine der vorrangigen Aufgaben eines Museums, einen neuen, frischen Wind hereinzubringen.

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