„Staub Altösterreichs, der da aus allen Fugen rieselt“

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Das Theater in der Josefstadt zeigt Christopher Hamptons Dramatisierung des Bestsellerromans „Die Glut“ von Sándor Márai in einer Inszenierung von Ingo Berk mit Helmuth Lohner in der Hauptrolle. Zuvor war Márais Roman, der 1942 auf Ungarisch erschien, bereits auf der Bühne des Wiener Volkstheaters 2001 sowie am Grazer Schauspielhaus zu sehen.

Es war die Frankfurter Buchmesse zur Jahrtausendwende mit dem Schwerpunktthema Ungarn, die den vergessenen Autor Sándor Márai (1900–1989) als einen der großen europäischen Erzähler zurück ins öffentliche Bewusstsein beförderte. Seither wird er als Jahrhundertwiederentdeckung gefeiert und viele seiner Bücher sind ins Deutsche übersetzt worden – wieder, muss man sagen, denn zwischen 1931 und 1978 waren es bereits nicht weniger als 22. Vor allem sein 1942 in ungarischer Sprache publizierter Roman „Die Glut“, der 1998 in neuer deutscher Übersetzung vorlag, war für die Márai-Renaissance verantwortlich.

Nachdem 2001 das Wiener Volkstheater eine dramatisierte Fassung des Romans zur Uraufführung gebracht hat, war es zuletzt das Grazer Schauspielhaus, das den Roman durch den britischen Drehbuchautor Christopher Hampton (der 1988 das Drehbuch zu „Dangerous Liaisons“ verfasst hat) für die Bühne einrichten ließ. Diese Fassung ist nun auch im Theater in der Josefstadt mit Helmuth Lohner in der Hauptrolle und in der Inszenierung von Ingo Berk zu sehen.

Das Stück spielt an einem einzigen Abend im Jahr 1940. Der 75-jährige ehemalige k. u. k. General Henrik erhält auf seinem feudalen Herrensitz Besuch von seinem ehemaligen Jugendfreund Konrad (Gerhard Balluch). In einem dämmrigen Salon des Schlosses, das die kammerspielartige Atmosphäre des Stückes noch betont (Bühne: Damian Hitz), werden zunächst die alten Zeiten beschworen: die blendende Jugend in der Wiener Kadettenanstalt, die persönlichen Werdegänge, die Konrad – ganz im Gegensatz zu Henrik – als sensiblen, feinnervigen, musisch begabten Kosmopoliten ausweisen.

Liebe und Verrat

In pathetischen Worten wird die frühe Männerfreundschaft beredet, bevor das Gespräch zunehmend in einen langen Monolog Henriks übergeht, der nur noch gelegentlich durch kurze Einwürfe seines Gegenübers unterbrochen wird. Darin spricht der ehemalige General, den Helmuth Lohner fast zu elegant und fragil spielt, von Liebe und Verrat und kommt dann auf die Ereignisse zu sprechen, die sich beim letzten Zusammentreffen vor 41 Jahren zugetragen hätten. Denn da gebe es, wie er bitter einräumt, dieses „unverständliche Geheimnis, das unsere Freundschaft vergiftete“. Nach einem Jagdausflug war Konrad damals überstürzt nach Asien abgereist, was blieb, war der Verdacht, er habe etwas mit Krisztina, der Frau des Generals, gehabt. Bleischwer wiegen Henriks Fragen nach den Gründen des Verrats, nach der Schuld am tragischen Verlauf seines Lebens. Gleichzeitig ist er aber gar nicht mehr an der Wahrheit interessiert. Er fordert Rechenschaft von seinem Verräter-Freund, die ihm letztendlich verwehrt bleibt. Am Ende, tief in der Nacht, der andere hat längst Adieu gesagt, bleibt nur noch das Warten auf den Tod.

Wie Karl-Markus Gauß in einer Rezension des Buches schrieb, wundern auch wir uns anhand der Inszenierung über den „Staub Altösterreichs, der da aus allen Fugen rieselt“, und noch mehr darüber, dass man „den alten Kaiser noch immer so bar jedweder Ironie auftreten lassen kann“.

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