Steiermark ist weiblich

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Vier der sechs Spitzenkandidaten für die steirischen Landtagswahlen sind Frauen. Führte nur der Zufall Regie oder handelt es sich doch um Strategie?

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Vier der sechs Spitzenkandidaten für die steirischen Landtagswahlen sind Frauen. Führte nur der Zufall Regie oder handelt es sich doch um Strategie?

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Es ist ein politisch heißer Herbst, und man könnte meinen, die ganze Welt habe es auf die Frauen im wahlfähigen Alter abgesehen. Erste Szene: Ingrid Bergmann streicht ihrem Humphrey Bogart über die Wange und fordert: "Schau mir in die Augen, Kleiner." Zweite Szene: "Die glorreichen Sieben" Nicole, Benita, Anna, Maria, Waltraud, Karin und Elisabeth sitzen auf ihren Gäulen, als wollten sie nicht nur die Prärie erobern - sondern alles Männliche gleich mit. "Eine ungewöhnliche Kampagne für Frauen" wollte die Bundes-ÖVP mit diesen Spielfilm-Persiflagen ins Leben rufen. Christopher Drexler, Geschäftsführer des steirischen "Zukunftsprogramms" mit Namen "Modell Steiermark", erklärt den Sinn der VP-Frauenkampagne: "Hier wird dem Vorurteil begegnet, dass Frauen in der ÖVP keinen Platz hätten."

Dazu hätte es wohl nicht dieses Aufwandes bedurft. Dazu hätte ein Blick in die Steiermark genügt. So erklärte Waltraud Klasnic, einziger weiblicher Landeshauptmann in der Geschichte der Deutschen Grammatik: "Die Steirische Volkspartei ist auf jeden Fall die Frauenpartei. Immerhin leben wir ja auch im einzig weiblichen Bundesland, die Steiermark!"

Die Wahlplakate hinterlassen tatsächlich den Eindruck, die Steiermark sei rechtzeitig vor dem 15. Oktober noch weiblicher geworden. Eine lächelnde Klasnic, eine fürsorgliche Theresia Zierler (FPÖ), eine mild blickende Edith Zitz (Grüne) und eine fordernd lachende Elke Kahr (KPÖ) buhlen um Sympathie und Stimme der weiblichen Passanten. Immerhin die Mehrheit, genau 53 Prozent der rund 900.000 steirischen Wahlberechtigten, sind Frauen.

Zweifel an der Zugkraft weiblicher Spitzenkandidaten hegt der ehemalige SP-Wahlkampfleiter und Politberater Sepp Hartinger: "In Österreich haben wir natürlich bei den Frauen an der Spitze einen enormen Nachholbedarf. Aber Untersuchungen haben gezeigt: Frauen wählen Frauen eher nicht. Männer dagegen wählen eher eine Kandidatin nur deshalb, weil sie eine Frau ist."

Kein Frauenghetto Dass die Kür einer Frau zur Spitzenkandidatin Gefahren birgt, weiß auch FP-Landesparteisekretär Karl Wiedner. Dennoch habe man es gewagt, der "Landesmutter" und "relativ unpolitischen Frau" Waltraud Klasnic mit der früheren Fernsehmoderatorin Theresia Zierler einen "politischen Kopf" entgegenzusetzen.

Am frauenpolitischen Interesse sowohl der ÖVP als auch der FPÖ hegt Stefan Schenner, Bundespressesprecher der Grünen, seine Zweifel: "Die Steiermark ist weiblich geworden - doch nur äußerlich. Klasnic und Zierler blenden das Thema Frauen in der Politik völlig aus. Die werden nur fotogen in Szene gesetzt." Beim Begriff "Frauenpolitik" ist die Interpretationsskala tatsächlich bunt: "Eine starke Frau für ein starkes Land" lässt die FPÖ landauf, landab plakatieren.

Was genau die Frauenthemen der Freiheitlichen sind, ist für Landesparteisekretär Wiedner bald erklärt: "Die Themen Kinderscheck und Kindesmissbrauch, das sind frauenpolitische Aspekte. Wir waren noch nie so frauenpolitisch wie in diesem Wahlkampf." Als Plakatsujet haben sich Kinder mittlerweile im Repertoire der Freiheitlichen etabliert: "Danke Theresia" und stramme Pampers-Babies zieren ein neues FPÖ-Plakat für die Endphase des Wahlkampfs.

Noch im Stofftieralter?

Dass Spitzenkandidatin Theresia Zierler als Frau zu dieser Nominierung gekommen ist, sieht sie selbst als "sehr gutes Signal". Klassische Frauenthemen seien jedoch ihre Sache nicht: "Ich bin gegen eine Ghettoisierung der Frauenpolitik. Entscheidend ist, dass Frauen in politischen Funktionen und an den Schnittstellen sitzen." Nur ein Klischee halte sich hartnäckig, weiß Zierler: "Eine schöne Frau muss erst beweisen, dass sie auch etwas im Kopf hat." Der Kampf gegen dieses Vorurteil dürfte mühsam werden: In Leserbriefen als "attraktive Fassade der Männerstimme aus Kärnten" apostrophiert, hat sich Zierler als Wahlkampf-Gag ein besonderes Maskottchen einfallen lassen: den Thesifant. "Der Elefant hat eine dicke Haut. Und die muss man haben in der Politik", meint die Namenspatin und nennt für Konkurrentin Klasnic ein passendes Tier: "Irgendetwas Kuscheliges, ein Hase vielleicht."

"Aus dem Stofftieralter heraus" fühlt sich Edith Zitz von den Grünen. Dennoch spart auch sie nicht mit Kritik an der weiblichen Konkurrenz: "Sie hätte die Macht gehabt, für die Frauen etwas zu ändern", beklagt sie an "Landeshauptmännin" Klasnic. Spitzenkandidatin Zierler spreche "ohnehin für sich selbst". Der Kinderscheck jedenfalls sei eine Falle, "weil man im Gegenzug die Unterstützung für Kindergärten kürzen würde", heißt es bei den Grünen. "Wer sonst tritt für Frauenrechte ein?" lautet demgemäß der Slogan der Partei mit Quotenregelung. Eine Frau zu sein, hält Zitz in der Politik nur bedingt für vorteilhaft: "Man fällt auf, weil die Politik so Männer-dominiert ist. Ein Nachteil ist, dass Frauen glauben, sie müssen perfekt sein. Männer gehen mit der Politik lockerer um."

Coolness und Selbstbewusstsein predigt den Frauen auch die Medientrainerin Katharina Ditz von "Visio Consult". Die zunehmende Häufigkeit weiblicher Politikerinnen an der Spitze ist für Ditz leicht zu erklären: "Jede Partei versucht, sich von den anderen abzuheben. Jetzt dreht sich der Spieß aber um."

Von den großen Parteien kämpft einzig die SPÖ mit einer männlichen Spitze. Schennach von den Grünen dazu: "Für die Sozialdemokraten ist es doppelt bitter: Die bietet in der Steiermark das Bild der männlichen Verkrustung." Die Kritik kann man im Büro von Landesrat und Wahlkampfleiter Hans-Joachim Ressel nicht nachvollziehen: "Schwerwiegender als kein weiblicher Spitzenkandidat ist die Tatsache, dass es unter dieser Regierung erstmals kein Frauenministerium gibt", schiebt man den schwarz-blauen Peter nach Wien.

"Phänomen" Klasnic Doch Wien und ein Frauenministerium sind weit - für die steirische Volkspartei und ihre "erste Frau im Land". Ob geliebt oder kritisiert - Waltraud Klasnic bleibt für die meisten Beobachter "ein Phänomen". Auch die Liberale Claudia Babel gesteht: "Sie verkörpert etwas Mütterliches, worauf die Leute anscheinend abfahren." Eine Frau "mit Kompetenz und Herz", wird VP-Wahlkampfleiter Lopatka nicht müde zu betonen und verweist auf Klasnics spontane Reaktion bei der Katastrophe von Lassing: "Der Herrgott hat entschieden." Die Landeshauptfrau mischt sich beharrlich unters Volk, in Quasi-Landesuniform - mit dem Drachen am Revers. Bei Politikerinnen im Allgemeinen und Klasnic im Besonderen kommt auch der ehemalige ÖVP-Wahlkampfleiter und nunmehrige Berater Ludwig Kapfer selbstkritisch ins Schwärmen: "Frauen haben eine höhere Kompetenz und können eher auf die Menschen eingehen. Männer sind eher konservativ."

Jenseits von Rollenklischees will Dietmar Ecker Frauen in der Politik beheimatet wissen. Der SP-Wahlkampfleiter von 1995 und Geschäftsführer der Wiener PR-Agentur "Ecker & Partner" relativiert die Symbolkraft von Frauen an der Spitze: "Wichtig ist vielmehr die Ausgewogenheit der Liste. Eine Männerpartie kann heute natürlich nicht mehr antreten." Als Symbol für politische Inhalte könnten Frauen schon gar nicht stehen - weder für "Links", "Rechts" oder mehr Herz: "Eine der konservativsten Parteien hat in den 80er Jahren eine Frau vorne gehabt: Margaret Thatcher".

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