Steirisch-europäische Geistesgegenwärtigkeit

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Zum vierten Mal findet der Pfingstdialog "Geist & Gegenwart“ auf Schloss Seggau in der Südsteiermark statt. Wie immer geht es um Europa als Idee und Projekt, diesmal unter dem Titel "Europa. Erzählen“ (8.-10. Juni).

Wer "Europa. Erzählen“ hört, denkt sofort an die "großen Erzählungen“, die geistigen und religiösen Traditionsstränge, die diesen Kontinent bleibend geprägt haben. Als "Impuls, die tragenden und nährenden Wurzeln Europas nicht zu vergessen, sondern zu stärken“ will denn auch der steirische Diözesanbischof Egon Kapellari den Pfingstdialog "Geist & Gegenwart“ verstanden wissen. "Europa soll und braucht sich im globalen Horizont nicht aufgeben“, so sein Plädoyer bei der Programmpräsentation, die dieser Tage in Graz stattfand.

Von einer "guten Tradition“ sprach Wissenschaftslandesrätin Kristina Edlinger-Ploder. Es gehe um "den offenen Dialog zu wichtigen Fragen der Gegenwart und Zukunft über Grenzen hinweg“. Edlinger-Ploder nahm auch auf die gegenwärtige Krise, in der Europa bzw. die Europäische Union steckt, Bezug: Gerade in dieser schwierigen Situation - "begleitet von viel Skepsis und Sorge“ - seien "seriöse Information und ein sorgfältiges Abwägen“ vonnöten - als Gegenprogramm zu "Angstmache und stimmungsorientierter Demagogie“.

Schwarzenberg, Kuˇsej, Klüger

Das Land Steiermark und die Diözese Graz-Seckau sind gemeinsam mit Joanneum Research, dem Club Alpbach Steiermark und den Hohen Schulen des Bundeslandes Veranstalter von "Geist & Gegenwart“. Bereits zum vierten Mal laden sie heuer von 8. bis 10. Juni ins Schloss Seggau (bis 1786 Bischofssitz) oberhalb der südsteirischen Stadt Leibnitz. Von Anfang an war Europa als Idee und Projekt das Generalthema dieses alle zwei Jahre stattfindenden Pfingstsymposions. Nach "Europa. Träume und Traumata“ (2007) und "Der Geschmack Europas“ (2009) lautet das Motto dieses Jahr also "Europa. Erzählen“. Erzählen werden unter anderem der tschechische Außenminister Karl Schwarzenberg, Starregisseur Martin Kuˇsej, die Manager Monika Kircher-Kohl und Claus Raidl, Ex-Vizekanzler Erhard Busek, Caritas-Präsident Franz Küberl. Besondere Bedeutung kommt diesmal angesichts des Themas wohl den Literaten zu: György Dalos, Barbara Frischmuth, Ruth Klüger und Navid Kermani werden gemeinsam mit dem Medienkünstler Peter Weibel debattieren.

Europas Erinnerung

Das Schlusswort hat Bischof Adrianus Herman van Luyn. Wohl im Sinne des von Kapellari genannten "Impulses“ wird Van Luyn, ein Salesianer Don Boscos, emeritierter Bischof von Rotterdam sowie Präsident der COMECE (Kommission der EU-Bischofskonferenzen), erörtern, "Woran Europa sich erinnern soll“.

Wie jedes Jahr wird auch heuer wieder ein Begleitband zur Tagung im Verlag des Kärntner Slowenen Lojze Wieser erscheinen (siehe unten): "Europa weiter erzählen“, herausgegeben von Wieser und dem ARD-Journalisten Norbert Schreiber. Die kleine sprachliche Differenz zum Titel des Symposiums verdeutlicht, dass es nicht nur um retrospektive Selbstvergewisserung gehen kann, sondern ein Fortschreiben des bisher Erzählten und Gehörten unumgänglich ist. "Dieser kleine Kontinent hat sich immer neu entdeckt und erfunden, und er hat sich in diesem Sinne immer neu erzählt“, schreibt darin der Grazer Soziologe Manfred Prisching. Inzwischen sei die europäische Erzählung "längst zu einer globalen Erzählung geworden“, so Prisching: "durch Neugier, durch Eroberungsdrang, durch koloniale Gier, durch missionarisches Bestreben; aber letztlich auch durch das attraktive Exemplum eines Lebensstandard-Erfolges, an dem die ganze Welt teilhaben möchte“. Bedeutsam in diesem Zusammenhang auch der Hinweis auf die innere Verbindung zu den Vereinigten Staaten, der manchen "Europa-Romantikern“ nicht schmecken dürfte: Bei allen Differenzen seien die USA "doch letztlich Holz von diesem (i. e. europäischen; Anm.) Holze“.

Weit geöffnete Augen

Auf die "Schattenseiten des Abendlandes“ kommt Ruth Klüger zu sprechen: "Wenn wir unsere humanen und humanistischen Errungenschaften zelebrieren und uns darüber freuen, dass wir’s so weit gebracht haben, so sollten wir nicht vergessen, dass wir sowohl Wissenschaft wie Religion, auf die wir doch so stolz sind, öfter als nötig missbraucht haben, aus Aberglauben (auch die Wissenschaft zeugt Aberglauben, siehe Rassismus) und Profitgier.“

Das alte Bild von "Europas Seele“ greift FURCHE-Herausgeber Heinz Nußbaumer auf: Diese sei gekennzeichnet durch "gewollte Buntheit, kulturellen Reichtum, auch Gebrochenheiten und die Lehren daraus“. Zu widerstehen sei allen Versuchen von Normierung, auch im kulturellen und religiösen Sinn. "Prinzessin ‚Europa‘ - das war, wie uns überliefert ist - ein Wesen mit weit geöffneten Augen.“

Europa weiter erzählen

Norbert Schreiber, Lojze Wieser (Hg.), Edition Geist & Gegenwart im Wieser Verlag, 285 Seiten

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