Stille Signale in Frage gestellter Existenzen

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Das Museum der Moderne Rupertinum zeigt im Sommer zwei Fotoausstellungen, die zum Teil den Blick auf das Nebensächliche lenken.

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Das Museum der Moderne Rupertinum zeigt im Sommer zwei Fotoausstellungen, die zum Teil den Blick auf das Nebensächliche lenken.

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Irgendwann müssen einmal Menschen hier gewesen sein. Es gibt Spuren von ihnen, Fassaden, Innenräume, gestaltete Natur. Einmal sieht man ein paar Fußballer, hoch über den Dächern von Genua auf einem abgezirkelten Fußballplatz. Verloren wirken sie dort, wie Fremdkörper, ausgesetzt an einem Ort, der nicht für sie bestimmt ist. Sehr kühl, sehr streng wirkt das alles, freudlose Szenerien einer heruntergekommenen Zivilisation. Da war schon einmal mehr los, die Größe ist verschwunden, kein Anspruch auf Stolz oder gar Erhabenheit ist zu sehen. Die stummen Zeugen einer Rumpfkultur werden ausgestellt, und der Fotograf Matthias Herrmann betätigt sich als Archäologe des Verschwundenen.

Das Fatale an der Archäologie besteht ja darin, dass aus den Resten der Vergangenheit jeder Anflug von Leben entwichen ist. Die stummen Relikte dessen, was einmal für eine blühende, vorwärts gerichtete Existenz gestanden ist, lassen sich beim besten Willen nicht mehr in die Aktualität überführen. Die Kulissen abgewirtschafteter Räume stehen da als Überbleibsel eines postästhetischen Zeitalters. Von Schönheit nirgends eine Spur. Ernüchternd der Blick in ein Warenlager mit Anzügen, ein Raum sauber und blank geputzt, aber ohne Aura.

Schauplätze der funktionalen Epoche

Die jüngsten Fotoarbeiten von Matthias Herrmann, der vor kurzem mit dem Otto Breicha-Preis für Fotokunst ausgezeichnet wurde, führen uns an die Schauplätze der funktionalen Epoche. Hotelräume, Straßenschluchten, Gebäudekomplexe wurden allein deshalb errichtet, um den Menschen ein lebenspraktisches Dasein zu ermöglichen. Von einem ästhetischen Mehrwert keine Spur. Selbst ein Museumsraum mit Rembrandt-Gemälden gerät bei Herrmann in den Verdacht der Lieblosigkeit und schleißigen Fragwürdigkeit. Große Kunst bekommt etwas Verlorenes, aus der Zeit Gefallenes, ja mickrig Abgehalftertes. Ein ganzes Stockwerk im Salzburger Rupertinum ist solchen neueren Fotoarbeiten gewidmet.

Dabei begann Herrmann einmal ganz anders. Er setzte sich selbst in Szene, manchmal penetrant selbstverliebt und aufdringlich in all dieser wuchtig monströsen Zurschaustellung, dann wieder ironisch gebrochen, sich anderen Identitäten anpassend. Was Ich ist, lässt sich nicht entscheiden. Der Künstler ein Rollenspieler, ein Held der Verwandlung und Fanatiker der Täuschung. Er leiht sich ein Stück fremder Identität und passt es sich selbst an. Er nimmt Anleihen bei James Taylor oder Jenny Holzer, Künstlern, die er schätzt, und macht sich einen Teil von ihnen zumindest äußerlich für jedermann sichtbar zueigen.

Von den Anfängen der Fotografie bis heute

Mit Matthias Herrmann, Jahrgang 1963, haben wir einen Fotokünstler, der um die Vergangenheit weiß, auf dem Boden der Tradition steht und stark genug ist, sich als Individuum selbst in Szene zu setzen. Was sonst noch möglich ist, lässt sich in der Ausstellung "Die Magie des Objekts" mit Beispielen aus der Sammlung des Salzburger Museums der Moderne im ersten Stock des Rupertinums sehen. Hier sind Beispiele von der frühen Zeit der Fotografie bis in die unmittelbare Gegenwart versammelt. Nicht die zündende Idee von KuratorInnen, Beziehungen zwischen Werken zu schaffen, die sonst nichts miteinander zu schaffen haben, zählt hier. Spannend sind die Begegnungen mit Arbeiten, die den Sprung in die Abgeklärtheit noch nicht geschafft haben. Jutta Strohmaier, geboren 1966, schaut hin, wo sonst niemand hinschaut. In Glasbehältern sind Blumen eingewässert. Man sieht nur die Stiele bis knapp über der Wasserfläche. Von der Blumenpracht darüber haben wir keinen Begriff, wir werden konfrontiert mit den knorrigen Stängeln in braun oder grün, manche stachelig. Das Beiläufige, Randständige wird Thema, sie bilden gleichermaßen die Basis für den ästhetischen Überbau, wie ihn die hier unsichtbare Rose verkörpert. Oder Hanns Otte. Er geht vom Vertrauten aus, von einem österreichischen Durchschnittsheim, wie es überall vorzufinden ist. Ein Regal mit Büchern und einem Teddybären und wertlosem Krimskrams geben Nachricht von gelebtem Leben. Das sieht aus wie ein Jugendzimmer, in das einer nach längerer Abwesenheit zurückkommt und sich seltsam fremd vorkommt. Die Gegenstände befinden sich an ihrem Platz, sie wirken abgenutzt und zeigen deutliche Spuren des Gebrauchs, aber sie sind Schnee von gestern, Ausrangier-Ware.

Matthias Herrmann (bis 22. Sept.)

Die Magie des Objekts (bis 15. Sept.)

Museum der Moderne Rupertinum Salzburg

Di-So 10-18, Mi bis 20 Uhr

www.museumdermoderne.at

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