Geschieht eigentlich zu viel oder tut sich ohnehin nichts? Ich meine weltpolitisch. Sozial. Wissenschaftlich. Ökonomisch. Mit der Umwelt und so. Eigentlich hatte ich geglaubt, wir lebten in dramatischen Zeiten. Sie wissen schon, der Krieg im Irak und seine Folgen für die neue Weltordnung. Die Pensionsreform und ihre Auswirkungen auf die Streiksekunden. Die Stammzellenforschung und die Veränderung unseres Menschenbildes. Und erst die Schuldenkrise, das Ozonloch... Aber jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher, ich habe nämlich jeden Tag die Abendnachrichten angeschaut.
Einmal war ein langer Bericht über ein nettes Mädchen zu sehen, dem in einer Bank gerade eine Pistole an die Schläfe gehalten worden war. Der Reporter fragte: "Und was haben sie sich dabei gedacht?" Das nette Mädchen sagte: "Na, do hob i mir gor nix mehr gedocht." Reporter: "Ich meine, was ist ihnen so durch den Kopf gegangen?" Das Mädchen: "Nix, wirklich nix." Er: "Und was fühlt man in so einem Moment?" Da fing das Mädchen endlich zu schluchzen an, um nicht mehr antworten zu müssen.
Anderntags war es genau umgekehrt: zu sehen war ein sympathisches älteres Ehepaar, das aus freien Stücken lauter Antworten gab, um die es gar niemand gefragt hatte. Die beiden schauten einander tief in die Augen, hielten sich an den Händen und versicherten der Welt, dass an den Gerüchten, sie würden sich trennen, nicht das Geringste dran sei. Dass es diese Gerüchte gab, hörten die meisten Zuseher so wie ich zum ersten Mal.
Ob jetzt eigentlich zu wenig geschieht oder sich doch zu viel tut? Ich weiß nur, dass bei den Nachrichten offenbar immer etwas fehlt: einmal sind es die Antworten, dann wieder die Fragen.
Der Autor ist Schriftsteller und Literaturkritiker in Salzburg.
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