Stimme des Jahrhunderts

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Eine opulente Maria Callas-Biografie rückt das verzerrte Bild der Operndiva zurecht.

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Eine opulente Maria Callas-Biografie rückt das verzerrte Bild der Operndiva zurecht.

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Die einen verehrten sie abgöttisch, die anderen haßten sie abgrundtief. Sie war die berühmteste Opernsängerin ihrer Zeit, dennoch hatte sie an der Mailänder Scala, der New Yorker Met und der Wiener Staatsoper Auftrittsverbot: Maria Callas. Warum die 1923 als Tochter griechischer Einwanderer in New York geborene Operndiva zur wahrscheinlich umstrittensten Sängerin der Operngeschichte wurde, läßt sich anhand einer neuen Biografie rekonstruieren, die mit einiger Berechtigung als ultimativ bezeichnet werden darf. Mittels einer Fülle biografischer Details hat der Autor, der Musikjournalist Stelios Galatopoulos, das entstellte künstlerische und persönliche Bild des 1977 verstorbenen Opernstars zurechtgerückt.

Vor allem der künstlerischen Dimension der Callas wird der fast 600 Seiten starke Band vollauf gerecht: Es waren ihre außergewöhnliche Stimme und die daraus resultierende Ausdrucksmöglichkeiten, die das Publikum spalteten. Seit Jahrzehnten hatte die Opernwelt keine Stimme mehr vernommen, die Koloraturen dramatisch zu singen und in die Darstellung einer Gestalt zu integrieren vermochte. Die Callas, die ihren künstlerischen Höhepunkt in den Jahren 1954 bis 1958 erreichte, stellte den Ausdruck über die abstrakte Schönheit der Stimme. So klangen manche Töne schrill, wenn es die Situation verlangte. Dadurch fiel die Callas natürlich bei jenen Teilen des Publikums in Ungnade, denen ausschließlich schöne oder sensationelle Töne Genuß bereiten - ein willkürliches, ja absurdes Beurteilungskriterium, wie Galatopoulos anmerkt. Die Rivalität mit der gefeierten Sopranistin Renata Tebaldi basierte genau auf diesem Konflikt: Tebaldis Stimme klang wunderschön, aber glatt und letztlich langweilig ("samtig" heißt das im Kritikerjargon). "Ich kann mir nicht vorstellen, daß jemand nach der Callas lieber eine konventionelle Koloraturstimme hören wollte, es sei denn aus reiner Perversität", schrieb ein Kritiker 1954.

Von der Presse wurde die Callas zum Inbegriff der launischen, kapriziösen Primadonna stilisiert, was ihren Gegnern Munition lieferte. Ihre Verwandlung von einer dicken, schlechtgekleideten 100-Kilo-Trommel in jene aparte, schlanke und elegant gekleidete Frau, als die sie bekannt ist, brachte die Phantasie der Journalisten in Wallung. Daß an so gut wie allen Skandalen, die sich um sie rankten, stets andere, vor allem sensationsgierige Paparazzi, schuld waren, muß man Galatopoulos glauben. Tatsache ist, daß sie ab 1958 auf Betreiben der italienischen Regierung an keinem öffentlichen Theater des Landes auftreten durfte!

Privat zeichnet ihr Biograf die Diva als sensible Frau, die Zeit ihres Lebens danach strebte, geliebt zu werden. Den griechischen Großreeder Aristoteles Onassis spricht sein Landsmann Galatopoulos von den Vorwürfen frei, er sei schuldig am Ende der Karriere der Callas gewesen: Es waren massive Stimmprobleme, die zum Rückzug von der Bühne führten, nicht die Affäre mit dem skrupellosen Geschäftsmann. Zu kompromißlos hatte sie sich in den Dienst der Kunst gestellt: "Es gibt keine Entschuldigung dafür, daß man einen Triller ausläßt oder eine Verzierung unterschlägt", bekräftigte die Sängerin, die die Kunst des Belcanto für die Basis alles Singens hielt.

Es war auch das italienische Fach, in dem sie brillierte, obwohl sie, wie ihr Mentor Tullio Serafin meinte, auch eine führende Wagner-Sopranistin hätte werden können. So aber schrieb sie mit einzigartigen Interpretationen von Frauengestalten Operngeschichte: die Violetta in Verdis "La Traviata", die Norma in Bellinis gleichnamiger Oper oder die Titelpartie in Donizettis "Lucia di Lammermoor" gehörten zu ihren Glanzpartien. Die Callas war maßgeblich an der Renaissance der italienischen Oper des frühen 19. Jahrhunderts beteiligt, sang aber auch exotische Rollen wie die Konstanze bei der italienischen Erstaufführung von Mozarts "Entführung aus dem Serail" 1952 - 170 Jahre nach der Uraufführung!

Maria Callas - Die Biographie. Von Stelios Galatopoulos S. Fischer Verlag, Frankfurt/M. 1999 574 Seiten, 350 Bilder, geb., öS 642,-/e 46,65,

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