Störrische Wortformen

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Der professionelle Sprachforscher begegnet immer wieder notorischen Stolpersteinen von Orthographie und Wortlaut: ob auf der freien Wildbahn der Zeitungslektüre oder in Anfragen verunsicherter und skrupulöser Sprachbenützer. Zu den linguistischen Dauerbrennern' zählen die Bildungsvokabel Peripatetiker und Etymologie. Ich meine, dass in wenigstens der Hälfte der Fälle beide Wörter falsch, weil mit -th- geschrieben sind. Dabei ist der sprachhistorische Befund eindeutig: Die griechische Philosophenschule nennt sich nach der Wandelhalle, dem Peripatos, hat also nichts mit Pathos zu tun. Und die Etymologie, die Lehre vom Ursprung der Wörter, geht auf das griechische Adjektiv etymos zurück, das "wirklich" bzw. "wahrhaftig" bedeutet. Doch Irrtum und Unsicherheit kommen nicht von ungefähr. In der Tat ist -th- in griechischen Ausdrücken ein so typischer Laut, dass man ihn gern über sein angestammtes Revier ausdehnt, also hyperkorrekt' verwendet. Simpel gesagt: man riskiert lieber eine falsche Etymologie, als dass man der Ethik, der Pathologie, Ästhetik oder Ethnologie ihr leibeigenes th vorenthält.

Im Falle von lateinisch post(h)um hat sogar der DUDEN resigniert: Er gestattet neben dem sprachgeschichtlich einzig berechtigten postum ("nach dem Tode geboren") auch die hybride Schreibung posthum.

Aber auch die Sirene Gleichklang stiftet Verirrung im Wortgebrauch: Einen nach innen orientierten Menschen bezeichnet man korrekt als introvertiert. Wer vor Temperament sprüht, heißt dagegen richtigerweise extravertiert. Doch im Blätterwald und Mediendschungel wimmelt es von intravertierten Charakteren und extrovertierten Zeitgenossen. Was man sprachlichen Wildwuchs nennen könnte, adelt ein linguistischer Terminus zu Analogie.

Der Autor ist Professor für Sprachwissenschaft an der Universität Salzburg.

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