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Furche Nr. 41/14. Oktober 1977

Ein halbes Jahr vor den Wahlen in Frankreich geht ein Riss durch die französische Linke.

Seit den Kommunalwahlen im Frühjahr dieses Jahres schien für viele politische Beobachter klar: Die nächste Regierung Frankreichs würde eine sozialistische sein. Heute scheint die Union der Linken, die durch das Einschwören auf ein gemeinsames Regierungsprogramm für den Fall der Machtübernahme geschmiedet wurde, endgültig zerbrochen zu sein. [...] Gerade jetzt scheitert eine Volksfront kurz vor dem Erreichen des Ziels daran, daß Einigkeit über die Ausmaße einer allfälligen Verstaatlichung nicht erzielt werden kann? [...]

Die Erklärung für den Bruch liegt offenbar nicht in der Strategie, sondern in der Taktik. In Frankreich werden die politischen Karten derzeit neu gemischt oder sind bereits gemischt und verteilt worden. [...]

Es scheint nun ziemlich klar zu sein, daß für die Kommunistische Partei Frankreichs bestimmend gewesen sein könnte, daß in zahlreichen Wahlkreisen nach dem ersten Wahlgang zu den Parlamentswahlen kein Kandidat die absolute Mehrheit erreicht, die für diesen Wahlgang vorgeschrieben ist. Im zweiten Wahlgang geht es darum, jeweils den stärksten Kandidaten der Linken einem Mann der Regierung gegenüberzustellen. Das würde bedeuten, daß in zahlreichen Wahlkreisen der sozialistische Kandidat als der stärkere von den Kommunisten unterstützt werden würde, also zahlreiche Sozialisten mit Hilfe der Kommunisten ins Parlament einziehen würden. Das Resultat des gemeinsamen Programmes und des damit verbundenen Wahlbündnisses wäre es dann gewesen, daß die sozialistische Partei Mitterrands als stärkste Linkspartei ins Parlament eingezogen und zur Führungskraft der Linken geworden wäre. Zur Zeit der Annahme des Programms war das Gegenteil der Fall. Damals waren die Sozialisten eine kleine Minderheit gegenüber dem großen monolithischen Block der Kommunisten. [...]

So zeigt heute die politische Szene Frankreichs ein Dilemma. Ohne Bruch innerhalb der Linken wäre es vielleicht dazu gekommen, daß die kp den Sozialisten zu einer Regierung verholfen hätte, an der die Kommunistische Partei nicht beteiligt gewesen, hingegen an den linken Flügel gedrängt und weiter von den Sozialisten aufgesaugt worden wäre. Diese Absicht hatten die Kommunisten freilich keineswegs. Sie wollen regieren. Daraus erklärt sich das Interesse der Kommunisten, Differenzen der Sozialistischen Partei aufzuzeigen, darzutun, daß sie die einzigen Vertreter der Arbeiterklasse seien. Das setzt Profilierung gegenüber den Sozialisten Mitterrands voraus und erklärt den Bruch.

So zeigt sich ein halbes Jahr vor den Parlamentswahlen in Frankreich die bizarre Situation, daß taktische Überlegungen den Sieg über eine Strategie davontragen. Andreas Khol

Nächste Woche: Alfred Grinschgl über Bruno Kreisky (1978)

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