Thema: Eliten
Eliten als herrschende bzw. einflussreiche Mitglieder einer Gesellschaft tragen Verantwortung für ihre Gesellschaft. Sie besitzen zwar viel Macht und Lenkungskompetenz, stehen jedoch vor der Herausforderung, diese für das Gute einzusetzen. Die Ereignisse in Nahost und Nordafrika sind Ausdruck einer frustrierten Masse über eine Elite, die ihren Einfluss missbraucht hat. Die politischen Eliten vieler islamischer Ländern sehen sich als Machthaber und sind bestrebt, diese Macht mit allen Mitteln zu schützen und aufrechtzuerhalten. Sie sind Eliten des Elite-Seins wegen. Sie streben nach Macht der Macht wegen.
Ein falsch verstandener Islam wird instrumentalisiert, um diesen Eliten ihre Macht zu legitimieren. So hört man immer wieder: "Gehorsam gegenüber der politischen Macht ist Teil des Gehorsams Gottes“, eine politische oppositionelle Haltung wird damit als Sünde abgetan. Dabei genügt es, einen Blick darauf zu werfen, wie Gott mit seiner Allmacht umgeht, um für uns einige Lehren zu ziehen. Er, der Allmächtige, ruft uns nicht mit Mitteln seiner Allmacht zu sich, sondern mit Mitteln der Liebe und Barmherzigkeit. Er braucht uns nicht, um verherrlicht zu werden: Dies ist Ausdruck seiner Vollkommenheit.
Was kann der Islam leisten, um Eliten an ihre Verantwortung zu erinnern? Der Islam möchte den Menschen vervollkommnen. Der Mensch ist das edelste Geschöpf, das Gott aus seiner Barmherzigkeit erschaffen hat. Dieses Werk Gottes soll seine Vervollkommnung finden. Entsprechend müssen die Muslime den Koran als Quelle der Spiritualität und der Ethik verstehen. Eine Ethik, die dazu anhält, verantwortungsvoll und aufrichtig zu handeln, und zwar aus Liebe und Barmherzigkeit, also bedingungslos. Es soll das Streben nach der vollkommenen Elite in jedem von uns sein.
* Der Autor ist Prof. f. Islam. Religi-onspädagogik an der Uni Münster
