Stummer Abschied einer Streitbaren

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Nach Wilhelm Molterer und Ursula Plassnik hat sich nun auch eine andere Größe der Volkspartei von der politischen Bühne verabschiedet: Maria Rauch-Kallat. Die Ex-Frauenministerin hat nach einem Jahrzehnt in der Spitzenpolitik beim letzten Nationalratsplenum vor der Sommerpause zum Abschied still Adieu gesagt - das tatsächliche Sprechen blieb ihr bei ihrem letzten Auftritt im Nationalrat verwehrt. Die 62-Jährige wollte einen gemeinsamen Gesetzesantrag der ÖVP-Frauen und Kolleginnen von SPÖ und Grünen auf Änderung des Textes der Bundeshymne im Plenum verlesen. Zu der geheimgehaltenen Aktion sollte es aber nicht mehr kommen: Ein männlicher ÖVP-Mandatar nach dem anderen hielt Endlosreden am Rednerpult. Schließlich musste die Politikerin den Antrag schriftlich einbringen - nach der Sommerpause wird im Verfassungsausschuss darüber diskutiert. Statt "Heimat bist du großer Söhne“ soll es künftig "Heimat großer Töchter, Söhne“ heißen.

Maria Rauch-Kallat ist nur für drei Plenarsitzungen in den Nationalrat zurückgekehrt: Um die ohnehin niedrige Frauenquote im VP-Klub - 38 Männer zu 13 Frauen - nicht weiter sinken zu lassen, hat sie das Mandat vom ehemaligen Partei- und Klubchef Wilhelm Molterer übernommen, der im Juni zur Europäischen Investitionsbank gewechselt war. Ihre Nachfolgerin wird die ehemalige Tiroler-VP-Frauenchefin, Grete Patscheider.

Betroffenheit führt in die Politik

In die Politik gegangen ist die Wiener Wirtstochter, die Englisch, Russisch, Geographie und Wirtschaftskunde sowie Leibesübungen auf Lehramt studiert und in Favoriten als Lehrerin gearbeitet hat, aus persönlicher Betroffenheit: Als ihre älteste Tochter im Alter von vier Jahren erblindet ist, gründete sie eine Elternselbsthilfegruppe für sehgeschädigte Kinder. Als 34-Jährige wurde sie Bundesrätin, einige Jahre später Umweltministerin sowie Jugend- und Familienministerin. 1995 machte Bundesparteiobmann Wolfgang Schüssel sie zur Generalsekretärin, was sie acht Jahre lang blieb. Rauch-Kallat überstand 2000 den Umstieg von Rot-Schwarz auf Schwarz-Blau und wurde bei deren Neuauflage zwei Jahre später Gesundheits- und Frauenministerin. Als Gesundheitsministerin gelang ihr die Umstellung von der Krankenschein- und Zettelwirtschaft zur elektronischen Gesundheitskarte, der ecard. Als Wolfgang Schüssel 2008 SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer unterlag, wurde es auch um Rauch-Kallat ruhiger. Sie sicherte sich zwar beim Comeback von Rot-Schwarz einen Sitz im Nationalrat, wurde aber auf der Kandidatenliste so schlecht platziert, dass sie erst nach dem Ausscheiden Molterers wieder einziehen konnte.

Nicht zuletzt ihr unerbittlicher, oft kompromissloser Einsatz für Frauenrechte hat ihr so manche Kritik eingebracht. Bereits 2005, noch als Gesundheits- und Frauenministerin, forderte sie eine Änderung der Bundeshymne. Auch ihre eigene Partei verschonte sie nicht: Es gebe in der ÖVP zahlreiche Frauen, die mehr könnten als nur Kaffee zu kochen und Brote zu schmieren. "Unsere Geduld, liebe Freunde, ist zu Ende“, warnte sie.

Durch ihre Ehe mit dem umstrittenen Rüstungslobbyisten Alfons Mensdorff-Pouilly kam sie freilich auch selbst wiederholt in die Schlagzeilen. Langweilig wird ihr nach ihrem politischen Ausscheiden jedenfalls kaum: Mit ihrer Lobbying-Agentur ist sie vermutlich vollauf beschäftigt.

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