Stunde für Pazifisten

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Libanon, Israel, Palästina: Die Option für den Krieg bringt keine Lösung näher. von otto friedrich

Schon mehr als 15 Jahre sind verronnen, seit sich die damalige (europäische) Friedensbewegung in ein weiterhin pazifistisches und ein neues "bellizistisches" Lager spaltete. Zur Erinnerung: Saddam Hussein hatte Kuwait überfallen, und eine von George Bush, dem Vater, geführte Koalition versuchte, den Diktator mit Mitteln des Kriegs zu stoppen. Wer für den Frieden (und für die Menschenrechte und für Gerechtigkeit) sei, müsse den Krieg befürworten, so der Tenor der bellizistischen Position, die damals von linksintellektuellen Schlachtrössern wie dem deutschen Schriftsteller Hans Magnus Enzensberger oder dem französischen Philosophen André Glucksmann mitformuliert wurde.

Beschriebener Paradigmenwechsel führte zu dramatischen Veränderungen des Diskurses und hatte nachhaltige politische Konsequenzen: Bosnienkrieg und Kosovo-Krise in den 90er Jahren sowie die Hoch-Zeit der Militärs im Gefolge von 9/11 ("War on Terrorism", Afghanistan-Intervention, Irakkrieg) zeigten, dass "Krieg" längst wieder zur "politisch korrekten" Option geworden war, und nicht nur in den Köpfen der Hardliner des militärisch-industriellen Komplexes festsaß.

Dieser Tage haben, zum jüngsten Krieg im Nahen Osten, auch prominente Namen, die bislang der Friedensbewegung in Israel zugeordnet waren und die sich jahrelang für eine Verständigung mit den Palästinensern eingesetzt haben, für den Bellizismus optiert: Die Schriftsteller David Grossman und Amos Oz outen sich als maßlos Enttäuschte über die Unfähigkeit der arabisch-palästinensischen Seite zur Mäßigung. Amoz Oz schrieb in der Frankfurter Allgemeinen: "Die israelische Friedensbewegung sollte die israelischen Verteidigungsmaßnahmen voll und ganz unterstützen, solange die Operation vorrangig der Hizbullah gilt ..."

Natürlich gibt es auch in Israel weiter Unentwegte wie den Friedensaktivisten Uri Avnery, der täglich Anzeigen in der Tageszeitung Haaretz schaltet: "... Nach all dem Töten und der Zerstörung werden wir nicht ein Ziel erreichen. Aber der Preis wird hoch sein - wie beim letzten Mal." (Vgl. dazu im Internet www.gush-shalom.org)

Was darf ein Schreiber im friedlich-fernen Wien da überhaupt äußern? Außer, dass die Bilder von hüben wie von drüben an Auswegen zweifeln lassen. Israel - eben nicht nur das offizielle - setzt auf wenig mehr als auf die bloße bellizistische Option, die Gegenseite war für den Pazifismus sowieso nie zu haben und scheint mit der Strategie von Anschlägen sogar im taktischen Vorteil: Israel hat einmal mehr - weit über die arabischen und islamischen Länder hinaus - die Weltmeinung gegen sich.

Die bellizistische Option, das muss aber konstatiert bleiben, hat sich auch in den letzten 15 Jahren nicht wirklich bewährt, insbesondere dann nicht, wenn sie nicht unter dem Primat der (Geo-)Politik steht. Vom Golfkrieg 1991 über Bosnien und Kosovo, dem Irak 2006 erst recht bis zum Dauer-Flächenbrand Nahost gilt: Bis dato sind die politischen Strategien dahinter wenig bis nicht erfolgreich, von nachhaltigen Lösungen gar nicht zu reden. Ob es ohne Durchsetzung dieser bellizistischen Option noch schlimmer geworden wäre, bleibt ein (müßiges) Gedankenspiel.

Die Geschichte gerade der aktuell-dramatischen Konflikte erweist sich überdies als Treppenwitz: Der - unbestritten - freiheitlich-demokratische Staat Israel wehrt sich mit Gewalt und anderen Mitteln, die das Grauen lehren. Und sieht sich einer arabisch-islamischen Welt der Diktaturen gegenüber, in der Demokratie, Menschenrechte, Bürgerfreiheit Fremdworte geblieben sind. Und dieser Treppenwitz geht weiter: Nur in den Palästinensergebieten gab es freie Wahlen - aber die brachten die radikal für Gewalt optierende Hamas ans Ruder.

Und der einzige arabische Staat, in dem so etwas wie ein Pflänzchen von Demokratie zu keimen schien, der Libanon also, wird zur Zeit bis zur Unkenntlichkeit destabilisiert.

Perspektiven, die so aussichtslos scheinen, dass auch die Naivität der pazifistischen Option wenig Schlimmeres anrichten kann. Nicht nur journalistische Schreibtischtäter sollten alles dazu tun, solchen Stimmen Gehör zu verschaffen.

otto.friedrich@furche.at

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