Stunde null • Japan

Werbung
Werbung
Werbung

Japan hat die Fähigkeiten, die Folgen der Katastrophe zu bewältigen. Das Land braucht Import von Energie und Produktion für den Export.

Es gibt zahlreiche Österreicher, die Japan kennen. Das tun auch viele Diplomaten der Europäischen Union. Aber zwei österreichische EU-Diplomaten gehören wahrscheinlich zu den besten Kennern Japans - und beide sind trotz der Katastrophe, welche den Inselstaat heimgesucht hat, optimistisch: "Mit Disziplin, Solidarität und Optimismus wird Japan mit der Katastrophe und ihren Folgen fertig werden“, sagt etwa Dietmar Schweisgut, Leiter der EU-Delegation in Tokio gegenüber dem ORF. An dieser Stelle in Asien war auch Michael Reiterer, heute EU-Botschafter in Bern, für die Europäische Kommission leitend tätig.Und er sagt gegenüber der FURCHE: "Das Potenzial, sich nach der Katastrophe aus dem Sumpf zu ziehen, ist in Japan da.“

Diese traditionellen Eigenschaften - Disziplin und Fleiß - wird Japan benötigen, aber auch internationale Hilfe, sollen die Folgen der dreifachen Katastrophe bewältigt, soll irgendwann einmal zu Normalität zurückgefunden werden. Zu groß sind die Zerstörungen, zu gewaltig die Schäden, zu sehr haben das öffentliche Vertrauen in Technik und in Regierung Schaden genommen.

Schätzungen über die Höhe der Schäden der dreifachen Katastrophe aus Erdbeben, Tsunami und Reaktorunfällen liegen noch nicht vor. Der Risikospezialist Eqecat schätzt die Summe der versicherten Schäden alleine des Erdbebens auf 25, 2 Milliarden Dollar.

Dreh- und Angelpunkt bleibt, Energie bereitzustellen und die Produktion wieder aufzunehmen. "Die Produktion muss rasch wieder anspringen“, sagt Reiterer, der zuletzt von 2002 bis 2007 für die EU in Tokio tätig war.

Das Wichtigste ist Energie

Dafür müsse die Energielücke rasch geschlossen werden, Japan sei auf Energieimporte angewiesen, habe Russland um Erdöl- und Erdgaslieferungen ersucht. Die Chancen auf weitere Produktion stünden gut: Der von Erdbeben und Tsunami getroffene Landesteil sei für die Wirtschaft nicht besonders bedeutsam. Die größten Fabriken Japans liegen auf einer mehr als 600 Kilometer langen Strecke zwischen Tokio und Kobe. Dort würden rund 70 Prozent der Bevölkerung leben und arbeiten, würden mehr als zwei Drittel der Industrieproduktion hergestellt. Reiterer: "Diese Strukturen sind nicht beeinträchtigt, der Kernbereich ist nicht beschädigt.“ Darauf ist Japan angewiesen.

Japans Wirtschaft baue, so Reiterer, der früher auch für Österreichs Wirtschaftskammer tätig war, auf Export auf. Versuche, die Konjunktur auch über ein Inlandsnachfrage abzustützen, seien nur mäßig erfolgreich gewesen. Das habe mit den Lebensverhältnissen zu tun - die kleinen Wohnungen erlauben keine übermäßige Anhäufung von Gegenständen aller Art. Und Bücher werden in Japan nach dem Lesen großteils weggeworfen, wegen des Mangels an Platz für Regale. Jedenfalls, so Reiterer, könne die Belebung der Wirtschaft nur über den Export erfolgen. Das sei zu schaffen, obwohl der Index der Börse in Tokio um zehn Prozent abgestürzt sei, das "ist zu negativ bewertet“.

Die Bevölkerung Japans verfüge, darin sind sich die Schweisgut und Reiterer einig, über das Potenzial und die Fertigkeiten, die Folgen der Katastrophe zu bewältigen. Dazu gehört Disziplin, etwa in der Vorsorge gegen Erdbeben, die Reiterer kennenlernte.

Der Diplomat wurde, wie andere Mitarbeiter auch, regelmäßig jährlich geschult und trainiert, sich bei Erdbeben richtig zu verhalten. Er übte, unter Tische zu kriechen, die Ausrüstung bei sich haben, zum richtigen Zeitpunkt das Haus zu verlassen. "Erdbeben können die Japaner managen“, sagt Reiterer. Auch auf einen Tsunami "sind sie im Prinzip eingestellt“. Selbst wenn der heurige von besonderer Wucht war: Die Flutwelle schwappte Wassermassen bis zu 25 Kilometer in das Landesinnere. Doch die Katastrophe von 2011 brachte einen "Quantensprung“, gemeint ist, eine neue Art und eine größere Dimension.

Geringer Anteil an Kernenergie

Die Kernenergieanlagen seien auf Sicherheit angelegt, auch auf Vorkehrungen gegen Erdbeben. Auf den "Schicksalsschlag“ eines Bebens in der Stärke 9,0 sei man nicht vorbereitet. Dennoch habe Japan nicht auf falsche Karte gesetzt. Denn die Zusammensetzung im Energieaufkommen passe, der Anteil an Kernenergie sei in Japan mit weniger als einem Drittel deutlich niedriger als in Frankreich. Dennoch: Vorerst ist Japan auf Energieimporte angewiesen, um seine Exporte zu beleben, um so die von außen als solche empfundene Stunde null hinter sich zu lassen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung