Suboptimal prognostiziert

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Sprachgeschichte weist gewöhnlich in die Vergangenheit und ist in Handbüchern gut dokumentiert. Doch bisweilen werden wir Ohrenzeugen eines Sprachwandels in der Nussschale. Ein neues Vokabel tritt auf, greift um sich, wird zum Modewort, das sich kaum ein Politiker oder Journalist entgehen lässt: der öffentliche Wortschatz hat Zuwachs bekommen.

Das Adjektiv suboptimal hätte man noch vor wenigen Jahren vergeblich nachgeschlagen. Jetzt verzeichnet es die Neuauflage des Duden: als Anglizismus mit der Bedeutung "weniger gut". Die nahe liegende Frage, warum man einen so trivialen Sachverhalt mit einem verbalen Import umständlich benennt, erlaubt eine zweifache Antwort. Zunächst liegen englische Anleihen sprachlich nach wie vor im Trend. Weiters verleiht ein Fremdwort auch der banalen Alltagsrede einen gewissen Nimbus, gleichsam den Schliff und die Stromlinie der Internationalität.

Wie viele Prestigewörter fußt auch suboptimal im Lateinischen: sub bedeutet "unter", und optimal leitet sich von optimus, dem irregulären Superlativ zu bonus ("gut"), ab. Dass dem Eigenschaftswort im Deutschen dieses grammatikalische Merkmal abhanden gekommen ist, beweist der unausrottbare Pleonasmus optimalst. Älter im deutschen Wortschatz verankert ist die Dublette Optimist und Optimismus. Letzteres diente einst dazu, die Leibniz'sche Lehre von der gegenwärtig besten aller möglichen Welten zu bezeichnen. Der Optimist war der Prototyp des Fortschrittsgläubigen. Mittlerweile hat die Euphorie einer gesunden Skepsis Platz gemacht. Die Redensart "Ein Optimist ist ein schlecht informierter Pessimist" gibt davon beredtes Zeugnis. Vielleicht verliert auch suboptimal bald die Züge eines verschämten Euphemismus. Dann heißt ein misslicher Zustand wieder schlecht - oder gar suboptimalst?

Der Autor ist Professor für Sprachwissenschaft in Salzburg.

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