Südafrika wählt seinen Ronald Reagan

Werbung
Werbung
Werbung

Jacob Zuma, der nächste Präsident Südafrikas, ist in jeder Hinsicht umstritten: Populist, Traditionalist, Polygamist und berüchtigt dafür, weder seine sexuellen noch finanziellen Begierden im Zaum zu halten. Polit-Ikone Nelson Mandela hat seinem Nach-Nachfolger trotzdem den Segen erteilt. Weil er auf Zumas Show-Qualitäten setzt.

Wie denken Legenden? Machen sie sich Sorgen? Haben sie ihr Land so sehr lieb, wie Normale ihr Allerliebstes, ihre Frauen, ihre Kinder, ihr Leben, ihr Ego, ihr Geschäft, ihre Autos, Häuser, Bücher, ihr Geld …? Was sagt ein Übervater, wenn ihm niemand zuhört? Nelson Mandela? Was denkt die Ikone über die Kopie?

"Passt schon!" 9000 Kilometer entfernt, reagiert Afrikas Legende wie unsereiner. Der beste Schwarze - ein typischer Österreicher! Nicht matschgern, das nehmen, was kommt, zufrieden sein mit dem, was es gibt. In Südafrikas Fall und für Mandela heißt das: Jacob Zuma als nächsten Präsidenten des Landes akzeptieren. Mandelas Enkel? Nicht wirklich. Mandela ist 90, Zuma ist 67, ein Generationswechsel sieht anders aus. Und doch auch nicht. Wenn Zuma diese Woche zum Präsidenten von Südafrika gewählt wird - was protokollarisch nicht der Fall ist, de facto aber schon. Auch Afrikaner wählen nie Parlamente, sondern das Gesicht, hinter dem sich alle anderen Köpfe sammeln. Wenn also Zuma der nächste Präsident von Südafrika wird, dann ist das trotz des nicht so großen Altersunterschieds zwischen Mandela und Zuma ein riesiger Wechsel.

Mandela ist der afrikanische Dalai Lama. Mehr Gott als Politiker. Sein Nachfolger, Thabo Mbeki, war das eine schon gar nicht und das andere auch nicht. Einen "linkischen, peinlichen, Pfeife rauchenden Philosophenkönig" nennt der langjährige Afrika-Korrespondent der Financial Times, Alec Russell, den südafrikanischen Präsidenten, der fast zwölf Jahre in diesem Amt nicht aus dem Schatten seines Vorgängers heraustreten konnte. Und wenn er Schlagzeilen machte, dann negative: Mbekis Unvermögen, Robert Mugabe, seinen Diktator in der Nachbarschaft, in die Schranken zu weisen. Mbekis Unverstand, Aids, die Geißel des Landes am Kap, mit einer klugen Gesundheitspolitik zurückzudrängen. Olivenöl, Knoblauch, Rote Bete und Vitaminpräparate ließ Mbeki als Medizin gegen das HIV-Virus verteilen. Erst nach mehreren juristischen Auseinandersetzungen wurde die Regierung gerichtlich gezwungen, HIV-infizierten Schwangeren und Vergewaltigungsopfern antiretrovirale Medikamente zugänglich zu machen.

Olivenöl und heiße Dusche gegen Aids

Was Aids betrifft, denkt der neue Präsident nicht anders als der alte. Eine dreißig Jahre jüngere Frau verklagte Zuma vor drei Jahren, er habe sie vergewaltigt. Vor Gericht wurde er freigesprochen, vor der Weltöffentlichkeit steht er aber seither als ziemlicher Depp da. Die Frau war HIV-positiv. Zuma wusste das, verwendete aber trotzdem kein Kondom. Stattdessen hat er sich nachher heiß geduscht, um sich nicht zu infizieren, erklärte er. Und in ein paar Tagen regiert dieser Mann die größte Volkswirtschaft Afrikas!?

Mit Mandelas Segen. Im Wahlkampffinale in Johannesburg am vergangenen Sonntag betrat der 90-Jährige, körperlich schon sehr gebrechlich wirkend, die Tribüne und betonte die historische Verantwortung seiner ANC-Partei, das Land zu führen - mit Jacob Zuma an der Spitze. Mandela trug ein gelbes T-Shirt mit einem Zuma-Porträt als Aufdruck. Damit war der neue Präsident dort, wo er am besten hinpasst - auf dem Bauch. Zuma ist nicht Kopf, nicht Geist, Zuma ist Bauch - und, soviel sei über Mandelas Gedankengängen gemutmaßt, genau so einen Bauchpolitiker wünschen sich er und die Mehrheit der Südafrikaner jetzt für ihr Land.

Denn wenn der Afrikanische Nationalkongress (ANC) mit Zuma auch diese vierte Wahl nach dem Ende des Apartheid-Regimes wieder gewinnen wird, die Verschleißerscheinungen der 1912 gegründeten früheren Befreiungsbewegung sind offensichtlich. Daran ändert auch die unter dem Motto "Siyanqoba" (Sieg) stehende Show von Einheit und Stärke nichts, mit der Zuma und der ANC ihren Wahlkampf beendeten. Zuma gestand vor rund 100.000 Menschen im modernisierten Johannesburger Ellis-Park-Stadion (ein erster Test für die Fußball-WM im kommenden Jahr!) Fehler in der ANC-Regierungsbilanz ein und er versprach eine Trendwende. Die braucht es dringend: im ANC und bei Zuma, die beide sehr anfällig für Korruption sind.

Die interessanteste Frage bei dieser Wahl ist jedoch nicht, mit wieviel Prozent der ANC gewinnt wird. Für die politische Zukunft des Landes ist vielmehr entscheidend, wie der von ANC-Abweichlern gegründete Volkskongress (COPE) abschneidet. Umfragen sehen COPE als dritte Kraft hinter der Demokratischen Allianz (DA) unter Führung der deutschstämmigen Kapstädter Bürgermeisterin Helen Zille, die bei der vergangenen Wahl mit zwölf Prozent der Stimmen stärkste Oppositionspartei geworden ist. Mit COPE gibt es zum ersten Mal eine schwarze Opposition in Südafrika. Und Politologen hoffen, dass das Experiment gelingt. Denn Oppositionsparteien haben in Südafrika einen schweren Stand. Und die Quasi-Alleinherrschaft des ANC tut nicht gut - nicht dem Land, nicht dem ANC selbst und nicht seinen Spitzenrepräsentanten. Mbeki ist über Korruptionsaffären gestürzt und Zuma hat vor Gericht mehr Schutzengel gehabt als seinen politischen Gegnern verständlich ist. Nach wie vor gibt es viele Stimmen, die stante pede behaupten, Zuma habe sehr viel für diesen richterlichen Beistand gezahlt.

Südafrikaner lieben Opferfiguren

Letztlich haben Zuma jedoch alle gegen ihn vorgebrachten Anschuldigungen mehr genützt als geschadet. "Südafrikaner lieben Opferfiguren", schreibt die Sunday Times, was vermutlich mit der Geschichte des Widerstands gegen die Apartheid zusammenhängt. In den Augen seiner Anhänger ist Zuma jedenfalls seit Langem das Opfer einer politischen Intrige, hinter der sein ärgster Rivale Mbeki steckt. Gegen ihren Helden, den sie wegen seiner Verbundenheit zu seinem Zulu-Volk "100 Prozent Zulu boy" nennen, lassen sie nichts kommen.

Aber auch Südafrika-Experten hoffen auf den neuen Zuma. "After Mandela" heißt das Buch von Alec Russell, das im Juni erscheinen wird und in dem die diesmaligen Wahlen und der Übergang zu Zuma als Epochenwechsel in Südafrika dargestellt werden. FT-Journalist Russell beschreibt in dem Buch auch seine Hoffnung, dass Zuma zum "Ronald Reagan von Südafrika" wird - einer, der sein Land in gute Stimmung versetzt, während er die Experten und Technokraten die tatsächliche Regierungsarbeit machen lässt. Und Russell traut es Zuma zu, dass er den ANC wieder aus dem Morast zieht.

Bezüglich der Strategie gegen die weitere Verbreitung von Aids scheint sich Zuma jedenfalls nicht mehr von seinen kruden Vorstellungen leiten zu lassen. Unter seiner Billigung hat Südafrika im Herbst vergangenen Jahres eine radikale Wende in der Aids-Politik eingeschlagen, geht jetzt offensiv gegen die Immunschwächekrankheit vor. Mehr als Zumas Politik interessiert die Zeitungen des Land aber derzeit, welche seiner drei Frauen "der wohl prominenteste Polygamist des Landes" (Sunday Times) zu seiner Angelobung am 7. Mai mitnehmen wird.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung