Sündenbock Tourismus

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Gerhard Föger, Chef der Tiroler Tourismusabteilung, über die Auswirkungen von Boykottaufrufen und seine Gegenstrategien.

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Gerhard Föger, Chef der Tiroler Tourismusabteilung, über die Auswirkungen von Boykottaufrufen und seine Gegenstrategien.

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Die Furche: Seit der Bildung der ÖVP-FPÖ-Regierung ist Österreich innerhalb der EU isoliert. Vereinzelt kam es sogar zu Boykottaufrufen; es sei "unmoralisch", nach Österreich auf Urlaub zu fahren, erklärte etwa der belgische Aussenminister Louis Michel. Konnten sie schon konkrete Auswirkungen dieser Situation auf dem Gebiet des Tourismus feststellen?

Gerhard Föger: Die skurrile Haltung der Europäischen Union hat interessanterweise in der touristischen Praxis bei weitem nicht den Niederschlag gefunden, den manche befürchtet haben. Mittlerweile liegen uns die Saisonergebnisse vor: Im Vergleich zum vorigen Winter haben wir in Tirol gerade bei den holländischen und belgischen Touristen Zuwächse zu verzeichnen und keineswegs Einbrüche, wie oft befürchtet wurde.

Die Furche: Wie viele negative Reaktionen von Urlaubern und Touristen sind ihnen untergekommen?

Föger: Nur in der ersten Phase, als der belgische Außenminister Michel davor warnte, nach Österreich zu kommen, gab es vereinzelt Stornierungen, vor allem im Kongresstourismus hier in Innsbruck. Aber das ist nicht besorgniserregend. In weiterer Folge ist das abgeflacht. Gerade bei Stammgästen und langjährigen Tirol-Urlaubern ist eine "Jetzt erst recht"-Haltung eingetreten: "Wir lassen uns unser Urlaubsland nicht madig machen, auch nicht von den eigenen Politikern."

Die Furche: Sollte man auf juristischem Weg gegen Boykottaufrufe und Ähnliches vorgehen?

Föger: Sicher nicht. Man sollte unbedingt eine Trennung zwischen Politik und Tourismus praktizieren. Andere Bundesländer haben gefordert, man möge klagen - sowohl den belgischen Außenminister, als auch andere Stellen. Tirol hat diese Haltung nie vertreten. Das hätte möglicherweise zu unerwünschten Effekten geführt. Die Belgier haben zwar die Aufrufe ihrer Politiker nicht mitgetragen. Hätte man allerdings geklagt, wäre es oben vielleicht zu Trotzreaktionen gekommen: "Unsere Minister müssen wir uns nicht klagen lassen."

Die Furche: Von manchen ausländischen Medien wurde Österreich ja sogar als "Nazi-Land" apostrophiert. Was unternehmen sie gegen das derzeitige, sehr negative Bild von Österreich?

Föger: Primär ist es Aufgabe der Politik, für Aufklärung zu sorgen. Natürlich wird man auch als Touristiker gefragt, wie denn die Verhältnisse nun wirklich seien.

Die Vorwürfe erweisen sich schnell als haltlos. Sobald man man zurückfragt, worauf sie konkret beruhen, so vermag niemand Beispiele zu nennen, warum Österreich schlechter sein soll als andere EU-Mitglieder. Was in Frankreich oder Spanien im Umgang mit Ausländern passiert, davon sind wir in Österreich Gott sei Dank weit entfernt.

Die Furche: Welche konkreten Strategien verfolgen sie, um das Image des Landes zu verbessern?

Der zufriedene Gast, der sich vor Ort ein Bild vom wahren Österreich machen kann, ist unser bester Botschafter im EU-Ausland. Wichtig ist auch die Diskussion im Zuge von Jugend-reisegruppen und Schüleraustauschen. Unter Jugendlichen gibt es wenige Berührungsängste und Hemmschwellen. Auch hier stellt man fest: Nach einem Gespräch werden die Dinge anders gesehen, als nach der Lektüre von Aufrufen.

Konkret beziehen wir die politische und mediale Situation vor allem im Bereich der Innenwerbung ein. Das heißt, dass man mit der Tiroler Bevölkerung kommuniziert und ihr ans Herz legt, in der gegenwärtigen Situation besonders aufgeschlossen gegenüber dem Gast zu sein. Das wurde bei uns im Land begleitet von einschlägigen Aufrufen des Landeshauptmannes Wendelin Weingartner, der ja auch Tourismusreferent ist. Diese Strategie hat sich in den Zahlen eindrucksvoll bestätigt gefunden.

Die Furche: Blicken sie der Zukunft optimistisch entgegen?

Föger: Touristisch - ja. Wie sich die politische Situation weiterentwickelt, weiß ich nicht. Die EU hat sich in eine Sackgasse verstiegen. Man wird sehen, wie sie sich verhält, wenn nach anderen nationalen Wahlgängen politische Konstellationen auftreten, die die EU weiter unter Zugzwang setzen. In Italien etwa könnten bald Gruppierungen rechts von der Mitte an die Macht kommen.

Durch die Geißelung Österreichs wird versucht, im eigenen Land Signale zu setzen. Die Angst in Belgien ist ja eine ureigene, ich erinnere nur an den Vlaams Blok (eine rechtsextreme Partei in Belgien, Anm. d. Red.). Man schlägt den Sack und meint den Esel, lautet ein Sprichwort.

Die Furche: Würden Sie nach Belgien auf Urlaub fahren?

Föger: Ja, aber nicht mehr so unbeschwert wie bisher. Ich würde versuchen, mit den Leuten in Kommunikation zu treten und einiges klarstellen.

Das Gespräch führte Michael Kraßnitzer

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