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Sollen gentechnisch veränderte Pflanzen in der Landwirtschaft zum Einsatz kommen? Diese Frage ist seit Jahren heftig umstritten. Die USA sind dafür. Europa zögert - wie lange noch?

Mitte Juni hat die Inselgruppe Palau als 50. Staat das UNO-Abkommen über Biosicherheit ratifiziert. Damit ist der Weg zu verschärften Kontrollen beim internationalen Handel mit gentechnisch veränderten Organismen (GVO) geebnet. Der Vertrag sieht vor, dass Länder, die Bedenken gegen GVOs haben, deren Einfuhr verbieten dürfen, selbst wenn sie nicht mit letzter Sicherheit nachweisen können, dass von ihnen Gefahren ausgehen. Allerdings können sie ein solches Verbot nur für Pflanzen und Lebewesen verhängen, die freigesetzt werden, nicht für solche, die für die Lebens- und Futtermittelerzeugung bestimmt sind.

Die EU steht in Sachen "grüner Gentechnik" eher auf der Bremse. Aus Sorge vor möglichen Risiken gilt seit 1999 de facto ein Moratorium für die Einfuhr gentechnisch veränderter Saatkörner und Nahrungsmittel. Allerdings wächst derzeit der Druck auf Änderung dieser Haltung: Innerhalb der EU mehren sich die Anträge auf Zulassung gentechnisch veränderter Pflanzen. Und die USA haben eine Klage gegen das EU-Moratorium bei der Welthandelsorganisation eingebracht. In diesem Zusammenhang erklärte US-Staatssekretär Alan P. Larson im Mai, den Europäern würde von ihren Regierungen die freie Wahl bei Nahrungsmitteln vorenthalten. Gentechnik-Ware sei "wissenschaftlich erwiesen sicher". Und: "Jeder Amerikaner isst das jeden Tag."

Front der Ablehnung

Dass der Staatssekretär damit die Stimmung der Europäer in dieser Frage getroffen hat, ist zu bezweifeln. Umfragen in mehreren EU-Ländern zeigen, dass es eine breite Ablehnung von Gen-Kost gibt. Besonders markant die Situation in Österreich: 1997 gab es 1,2 Millionen Unterschriften für das Gentechnik-Volksbegehren, das Maßnahmen gegen die Freisetzung von GVOs, gegen Patente auf Leben und gegen Essen aus dem Genlabor gefordert hatte. Und bei einer im Mai veröffentlichten Umfrage äußerten 81 Prozent der Befragten Bedenken gegen den Konsum gentechnisch veränderter Lebensmittel.

Solche dezidierte Stellungnahmen ändern jedoch nichts am Bemühen der Gentech-Industrie und -Forschung, ihre Ansätze und Produkte unter die Leute zu bringen. Was sie ins Treffen führen, lässt sich etwa folgendermaßen zusammenfassen:

Mit dem Einsatz der Gentechnik geschehe im Grunde genommen nur das, was ohnedies seit jeher bei der Züchtung getan wurde: bestimmte Merkmale von Lebewesen gezielt zu forcieren. Nur gehe es mit den modernen Methoden rascher und gezielter. Außerdem sei es möglich, sogar artfremde Eigenschaften hervorzurufen: "Viele bisher in der konventionellen Pflanzenzüchtung vergeblich selektierte Eigenschaften, wie beispielsweise die völlige Insektenresistenz, sind jetzt durch diese Techniken möglich geworden," stellt etwa Univ. Prof. Peter Ruckenbauer (Universität für Bodenkultur, Wien) fest. Dank solcher Verbesserungen würde man mit weniger Einsatz von Chemikalien in der Landwirtschaft auskommen, also umweltfreundlicher produzieren.

Gentech auf dem Vormarsch

Bei wachsender Weltbevölkerung sei man auf eine höhere AgrarProduktion angewiesen, heißt es weiter. Gentechnisch veränderter Mais liefere um 20 Prozent höhere Erträge. Ertragssteigerungen, Resistenz gegen Krankheiten, Schädlingsbefall und Herbizide, Widerstandsfähigkeit gegen Wetterunbilden ließen sich durch die neuen Verfahren herstellen. Ruckenbauer: "Bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist nur die Biotechnologie mit Schwerpunkt auf den Einsatz gentechnisch veränderter Pflanzen und Mikroorganismen als jene Technologie erkennbar, die in der Lage ist, unter maximaler Schonung der Umwelt und Ressourcen weiter Ertragssteigerungen und Qualitätsverbesserung zu ermöglichen."

Daher sei Gentech unaufhaltsam im Vormarsch. Die Statistik belegt es: Wurden 1997 die vier wichtigsten GVO-Kulturpflanzen (Mais, Soja, Raps, Baumwolle) weltweit auf elf Millionen Hektar angebaut, so vergrößerte sich die Anbaufläche im Vorjahr auf 58,7 Millionen Hektar.

Nützlich - ja, aber...

Die Argumente der Befürworter sind nicht einfach vom Tisch zu wischen. Gentechnische Verfahren ermöglichten tatsächlich effiziente, rasche, gezielte Veränderung im Hinblick auf nützliche Eigenschaften von Pflanzen und Tieren. Die Aufzählung dieser Vorteile sagt jedoch nicht alles über die Sinnhaftigkeit des Zugangs aus. Denn der Einsatz der "neuen" Arten spielt sich in einem hoch komplexen Umfeld ab, das sie in vielfältiger und nicht klar vorhersehbarer Weise beeinflussen. Je umfangreicher der Freiland-Einsatz von GVOs wird, umso deutlicher treten auch die von ihnen ausgehenden Gefahren in Erscheinung.

Auch der Schädling immun

Eine dieser Gefahren wurde beispielsweise im Umfeld von Bt-Maissorten (sie verfügen über ein Gen der Bacillus thuringiensisBodenbakterien) beobachtet. Sie sind gegen den Maiszünsler, einen Schädling, immun. Nun stellt sich aber heraus, dass die dem Mais eingeprägte Immunität auch beim Schädling auftritt. Dieser unterliegt bei großen Monokulturen einer systematischen Auslese. Das Bt-Gift rottet den Maiszünsler nämlich nicht aus, vielmehr setzen sich nach einiger Zeit die resistente Tiere durch, wodurch die Wirkung der Manipulation verloren geht. Darüber hinaus werden einige Nützlinge durch die BtGifte über die Nahrungskette geschädigt. Das heißt also: kurzfristige Erfolge gehen mit fragwürdigen Langfristfolgen dieses Eingriffs ins Öko-System einher.

Festgestellt wurde auch, dass der Anbau von Nutzpflanzen, die eine gentechnische Virusresistenz erhalten hatten, zur Ausbildung neuer Viren führen kann. Aus Kanada liegen weiters Beobachtungen vor, dass ein gegen drei Herbizide resistent gemachter Gentech-Raps verwildert ist und sich zu einem schlimmen Unkraut entwickelt hat.

Dazu stellt der Wiener Humanökologe Peter Weish fest: "So können Super-Unkräuter' entstehen." Und: "Die Biobauern in Kanada können wegen der Auskreuzung heute keinen gentechnikfreien Raps mehr produzieren. Besonders bedenklich ist die Tatsache, dass man in entlegenen Gebieten Mexikos transgene DNS in ursprünglichen Mais-Landsorten fand." Auf diese Weise würden die genetischen Ressourcen massiv gefährdet.

Besonders bedenklich sei auch die Uniformierung im Pflanzensektor, hebt Weish hervor. Um langfristig die Nahrungsmittelversorgung sicherzustellen, sei Vielfalt der Pflanzenwelt eine der wichtigsten Ressourcen, um auf veränderte Bedingungen reagieren zu können. Das Anlegen von riesigen Monokulturen, womöglich über den Globus sei der falsche Ansatz, auch wenn dies zunächst den Ertrag steigern sollte.

Selbst das sei nicht unbedingt gewährleistet, stellt Weish fest: "Eine neue Untersuchung belegt die Empfindlichkeit gentechnisch veränderter Baumwolle gegenüber Trockenstress, die sich in deutlichen Ernteverlusten manifestiert." Das Zusammenwirken der Gene sei nämlich nicht wirklich durchschaut. Daher komme es zu unerwarteten und unerwünschten Wechselwirkungen zwischen den ursprünglichen und den eingefügten Fremdgenen.

Und damit ist die Grundproblematik der "grünen Gentechnik" angesprochen: Um kurzfristiger Vorteile willen werden mittel- und langfristig nur schwer vorhersehbare Folgewirkungen in Kauf genommen, die mit großer Wahrscheinlichkeit zur Destabilisierung bestehender Öko-Systeme führen. Effizienz wird auf Kosten von Stabilität gepusht.

Nichts dazugelernt

Nur ist das ein Rezept, das schon bisherig die wirtschaftliche Entwicklung geprägt hat. Die Umweltprobleme heute sind Folgen einer Produktionsweise, die allzu bedenkenlos chemische Stoffe in den Lebensraum entließ, ohne sich rechtzeitig Rechenschaft über die Folgen dieses Tuns zu geben. Die Biotech-Revolution setzt diese Unbedachtheit fort, nur mit dem Unterschied, dass sie statt lebloser Chemikalien, Lebewesen mit undurchschauten Eigenschaften auf die in ihren Abläufen undurchschaute Umwelt loslässt, was noch gefährlich ist. Denn einmal losgelassen, entwickeln Lebewesen eine Eigendynamik, die sich nicht mehr rückgängig machen lässt. Sollte unsere Gesellschaft solche Risiken eingehen zu einem Zeitpunkt, da die Agrarmärkte - siehe Bauernsterben und Flächenstilllegungen - nicht unter mangelnder Produktivität, sondern unter Überproduktion leiden?

Zum Thema:

Projekte zur Schaffung transgener Kulturpflanzen. Von Peter Ruckenbauer, in Landwirtschaft auf neuen Wegen, "Club Niederösterreich"-Publikation 1/2003.

Regieren gegen den Bürger. Von Peter Weish. Referat am 21. März 2003

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