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Mit "Poppea" mischt das Wiener Schauspielhaus Barockoper und zeitgenössisches Theater zu einem Schauspiel von ungeahnter Intensität.

Monteverdi meets Cole Porter - mit dieser alles andere als auf der Hand liegenden Kombination ist dem Wiener Schauspielhaus ein ganz großer Wurf gelungen. "Poppea" heißt das alle Genregrenzen sprengende Stück Musiktheater, das Barockmusik und klassisches amerikanisches Entertainment kongenial vereint und ab 21. Jänner wieder zu sehen ist. Ein Höhepunkt der laufenden Theatersaison. Nur leider werden dies nur wenige bemerken. Warum? Dazu später.

Dass seine Oper "L'incoronazione di Poppea" einmal so gespielt wird, hätte sich Claudio Monteverdi wohl nicht träumen lassen: besetzt mit Klavier und drei Celli, gesungen von Schauspielern statt ausgebildeten Opernsängern und ergänzt mit 300 Jahre jüngeren Stücken eines Songschreibers aus den Neuen Welt ("Anything goes", " I've got you under my skin"). Doch es zeigt sich, dass aus Cole Porters Songs und Monteverdis Arien die gleiche Inbrunst zu entfachen ist, dass den scheinbar unvereinbaren Stilen eine ähnliche Raffinesse zugrunde liegt. Mitunter swingt Monteverdi nicht weniger als Porter.

Monteverdi und Cole Porter

Dies ist zum einen natürlich ein Verdienst des Regisseurs und musikalischen Leiters Barrie Kosky, der auch am Klavier sitzt. Zum anderen haucht ein großartiges Ensemble dem von Susanne Wolf neu übersetzten Libretto pulsierendes, in einem zeitlosen HalbweltGlamour angesiedeltes Leben ein. Amor, eine üppige Diseuse (Barbara Spitz), will um jeden Preis den zwischen Brutalo und weisem Herrscher changierenden Nero (Kyrre Kvam) dazu bringen, seine Geliebte Poppea (Melita Jurisic) zu heiraten, ein Weib voll animalischer Sinnlichkeit. Dazu freilich muss der in Gehörlosensprache unverstanden bleibende Philosoph Seneca (Florian Carove) wie weiland Jean-Paul Marat in der Badewanne ermordet und die vertrocknete, ihrer Verbitterung unglaublich komisch Ausdruck verleihende Kaisergattin (Beatrice Frey) in die Verbannung geschickt werden. Ihr folgen das zickige Showgirl Drusilla (Ruth Bauer) und der naive Matrose Ottone (Martin Niedermair), deren aus Eifersucht ersonnenes Mordkomplott fehlgeschlagen hat.

Produktive Irritationen

Man muss allerdings Barockoper und zeitgenössisches Theater gleichermaßen schätzen, um die Genialität dieser Aufführung voll auskosten zu können - so wie Regisseur Kosky, der ja als Schauspielhaus-Direktor für saftiges Theater auf der Höhe der Zeit steht, aber auch ganz ernsthaft Barockopern inszeniert, etwa bei den Innsbrucker Festwochen der Alten Musik.

Reine Musikfreunde werden sich bei "Poppea" daran stoßen, dass hier keine operntauglichen Stimmen zu Gehör kommen und reine Theaterfreunde werden irritiert sein über die Tatsache, dass Bühnenfiguren singend ihren Gedanken und Gefühlen Ausdruck verleihen. Ein wenig Offenheit von beiden Seiten wäre gefordert. Dann könnte der Musikfreund Gefallen finden an einem musikalischen Schauspiel von für ihn ungeahnter Intensität. Der Theaterfreund hingegen könnte zur Erkenntnis gelangen, dass zeitgenössisches Theater auch mit einer soliden dramatischen Struktur und einer verständlichen Story funktioniert.

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