Szenische Öde, skurrile Regieeinfälle

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Bei den Bayreuther Festspielen erlebt man 2009 unter der neuen Intendanz der Halbschwestern Eva Wagner-Pasquier und Katharina Wagner ausschließlich Wiederaufnahmen. „Tristan und Isolde“ wird als lähmendes, fades Stehtheater erzählt, die Inszenierung von „Die Meistersinger von Nürnberg“ stößt auf massive Ablehnung beim Publikum.

Es war ein quälend langes Loslassen von Wolfgang Wagner, dem Enkel des großen Richard, der seit 1951, zuletzt alleine wie ein autokratischer Patriarch, die Geschicke der Bayreuther Festspiele gelenkt hat. Erst dieses Jahr war es endlich soweit: Da begrüßten zur Festspieleröffnung erstmalig statt seiner seine beiden Töchter, die Halbschwestern Eva Wagner-Pasquier und Katharina Wagner, die sich die Intendanz des Festivals seit Herbst 2008 teilen, die Ehrengäste vor dem Haus am Grünen Hügel. Erstere gilt als Stimmenexpertin, die Opernhäuser und Festivals berät. Zweitere ist als Jungregisseurin aufgefallen, die vor allem durch radikale Schlachtungen von Opern ihres Urgroßvaters schon großes mediales Aufsehen erregte. Für die 98. Festspiele musste sich das Festspielpublikum allerdings ausschließlich mit Wiederaufnahmen begnügen, denn die nächste Premiere findet erst 2010 mit „Lohengrin“ unter der Stabführung von Andris Nelson in der Inszenierung von Hans Neuenfels statt.

Hässliches, trostloses Ambiente

Liebesgetränkt und voll „wonniglicher“ Leidenschaft strömt Wagners einzigartige Musik aus dem gedeckten Graben des Festspielhauses, wenn der Österreicher Peter Schneider am Pult des Festspielorchesters steht. Nur manchmal etwas zu laut sind feinste dynamische und emotionale Schattierungen zu vernehmen.

Mit dieser musikalischen Liebesglut kann hingegen die Inszenierung von „Tristan und Isolde“ aus dem Jahr 2005, mit der die diesjährigen Festspiele eröffnet wurden, nicht mithalten. Denn unsagbar hässlich und trostlos ist das Ambiente von Anna Viebrock. Man sieht einen Innenraum, der von Akt zu Akt höherrutscht und jeweils ein tieferes Zimmer zeigt: ein mit Stühlen übersätes holzvertäfeltes Zimmer, ein gelbes, schmuckloses Wartezimmer und ein muffiges Kellerverlies wie aus den Horrorfilmen „Saw“, in dem Tristan in einem von einer Balustrade umrahmten Krankenhausbett sein Leben aushauchen muss. Dies und die sinnlos kreisenden, blinkenden Neonröhren wie auch die hässlichen Kostüme der sechziger Jahre lassen Anspielungen an die DDR-Zeit erkennen. Darin wird vom Regie-Extremisten Christoph Marthaler die tragische Liebesgeschichte als lähmendes, fades Stehtheater erzählt und auf völlig emotionslose, ja geradezu klinische Berührungsfreiheit heruntergeholt.

So sollte man sich ausschließlich auf die Musik konzentrieren: Robert Dean Smith besitzt für den Tristan einen schönen Tenor mit Leuchtkraft, ist aber insgesamt zu lyrisch für diese Rolle. Irene Theorin ist eine szenisch unbeteiligt wirkende Isolde mit betörenden Piani, die auch zu unglaublich dramatischen Ausbrüchen fähig ist. Leider versteht man bei ihr kein einziges Wort. Robert Holl hingegen ist ein exemplarisch wortdeutlicher König Marke mit höchster Gesangskultur. Jukka Rasilainen ist ein stimmgewaltiger, manchmal etwas eindimensionaler Kurwenal im Schottenrock, Ralph Lukas ein wenig böser Melot, Michelle Breedt eine intensive Brangäne, Arnold Bezuyen fällt als schönstimmiger Hirte auf.

Zwölf in riesigen Masken herumtanzende deutsche Künstler und Denker, darunter auch Wagner selbst, Unmengen von herabfallenden Schuhen, ein Stolzing, der ständig mit einem Pinsel herumrennt und alles anmalt et cetera: Es sind einfach zu viele skurrile Regieeinfälle, dafür aber kaum klare dramaturgische Linien, weswegen Katharina Wagner auch im dritten Jahr mit ihrer Deutung von „Die Meistersinger von Nürnberg“ auf massive Ablehnung stößt.

„Komödieninszenierung“

In ihrer im Heute spielenden „Komödieninszenierung“ zeigt sie einen Diskurs über die Kunst, wo Tradition und Fortschritt aufeinanderprallen. Es sind bissig-ironische Anspielungen auf kultische Verehrungen in der Kunst, die das Neue nicht zulassen. Innovativ und nachvollziehbar ist die Entwicklung von Stolzing vom frechen revolutionären Rocker zum angepassten braven Schlagersänger sowie jene des pedantischen Spießers Beckmesser, der immer mehr zum Freigeist wird.

Klaus Florian Vogt bringt einen schlanken, jugendlich-frischen Walter von Stolzing mit mühelosen Höhen auf die Bühne. Der an der Wiener Staatsoper engagierte Adrian Eröd ist bei seinem Bayreuth-Debüt ein phänomenaler Sixtus Beckmesser. Alan Titus singt den Hans Sachs sehr warmherzig, ist aber an der Grenze seines Durchhaltevermögens. Michaela Kaune ist eine etwas farblose Eva, Artur Korn ein verlässlicher Veit Pogner, Markus Eiche ein exzellenter Fritz Kothner und Nobert Ernst ein heller David.

Sebastian Weigle sorgt im Orchester für eine beschwingte Interpretation der Partitur mit zügigen Tempi.

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