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Neid spielt in vielen Bereichen der Politik eine nicht zu unterschätzende Rolle: Er lähmt die Koalition und bremst die Diskussion um Nebeneinkünfte und Parteienfinanzierung. Warum es uns so schwer fällt, über Geld zu reden.

Schweden gilt als Musterland oder als genau das Gegenteil. Diese schroffe Zweiteilung der Meinungen bezieht sich nicht etwa auf den jüngsten Besuch des schwedischen Königspaares; nein, es ist die völlige Offenlegung aller Jahreseinkommen samt Schulden, die in Schweden von jedem Bürger im Internet aufgelistet sind (www.ratsit.se); und diese totale Transparenz sorgt hierzulande für Diskussion. Doch zurzeit steckt das Vorhaben einer gewissen Offenlegung bereits bei den vielbesagten Nebeneinkünften unserer Parlamentarier fest.

Bremser ist die ÖVP, zumindest vorläufig. Denn es regte sich intern Kritik an dieser Haltung, allen voran durch Umweltminister Josef Pröll. Während die Volkspartei Privates Privates sein lassen will, wie Generalsekretär Hannes Missethon betonte - also nur die Nebenberufe offengelegt werden - fordern alle anderen Parteien bereits als nächsten Schritt eine Offenlegung der Parteispenden. Das sei der weitaus größere und gewichtigere Teil, wenn es schon um politische Einflussnahme geht, betont der Politikwissenschaftler Peter Filzmaier im Furche-Gespräch. "Jede Gesellschaft hat ihre Tabuthemen. Bei uns ist es das Geld, das hat historische Wurzeln, daher verläuft die öffentliche Diskussion um Geld und Verdienst derart verkorkst." Natürlich gebe es objektive Tatbestände, die Neid schürten: Ein Parlamentarier verdiene nun mal das Drei- bis Vierfache eines Durchschnitt-Österreichers. "Die österreichische Neidgesellschaft würde negativ auf diese Transparenz reagieren. Bei uns ist es einfach nicht üblich, über das Gehalt zu reden", sagte auch der Zweite Parlamentspräsident Michael Spindelegger (VP) gegenüber "Österreich" gleich zu Beginn der Debatte und bestätigt damit diese tiefsitzende Scheu hierzulande, über Geld zu sprechen.

Dabei schüre Heimlichtuerei den Neid noch viel eher und vor allem den Verdacht der Interessenskonflikte, wie der Grüne-Parteistratege Dieter Brosz ausführt: "Das, was im stillen Kämmerlein passiert, löst viel eher Neid aus." Wichtig ist es nach Brosz nicht nur, die Nebeneinkünfte, sondern auch den Beruf eines Nationalratsabgeordneten transparent zu machen, den Bürgern klar zu machen, was die Abgeordneten für ihr Geld leisten. Hier stelle sich dann die Frage der Vereinbarkeit, wie der Zivilberuf mit der Tätigkeit für das Mandat in Einklang zu bringen sei.

Dass Abgeordnete begrüßenswert sind, die nicht im Parteiapparat allein verankert, sondern auch einem Zivilberuf nachgehen, scheint parteiübergreifender Konsens - zumindest in der Theorie.

Wer wird noch Politiker?

VP-Justizsprecher Heribert Donnerbauer sieht die Gefahr, dass zu viel an Transparenz wiederum gute Köpfe vom Politikerberuf abschrecken könnte. Transparenz sei wichtig, daher würden auch die Berufe und somit Interessensverbindungen offengelegt: "Ich sehe aber keinen Sinn dahinter, die Summe der Einkünfte bekannt zu geben."

Resultat der Nebeneinkünfte-Debatte, die zyklisch wiederkehrt: Außer der ÖVP wollen oder haben alle Parteien die Nebeneinkünfte online offengelegt, die Volkspartei nur die Nebenberufe (bei einem Jahreseinkommen über 1123 Euro und 30 Cent, so das geltende Gesetz). Der Haken dabei: Die Angaben würden keiner externen unabhängigen Prüfung unterzogen, wie Kritiker anmerken. Das weitaus größere Problem sei aber die Parteienfinanzierung, betont Filzmaier und schließt sich der Meinung des Parteienforschers Hubert Sickinger an. "Es geht um ungleich mehr Geld und Einflussnahme," so Filzmaier.

Nationalratspräsidentin Barbara Prammer, welche die jüngste Diskussion um die Nebeneinkommen der Abgeordneten angestoßen hatte, wollte nicht unerwähnt lassen, dass die SPÖ bereits in der letzten Legislaturperiode einen Antrag auf Offenlegung von Parteispenden eingebracht habe. Wiederholung zwecklos, auch hier bremst die ÖVP.

Ist die Koalition im Grunde auch durch Neidreflexe blockiert; keiner will dem anderen einen Erfolg gönnen? "Es steckt das paradoxe strategische Vorhaben dahinter, bei der nächsten Wahl bloß erster sein zu wollen, egal, ob man Wählerstimmen verliert, Hauptsache an erster Stelle", analysiert Filzmaier. Es gehe dabei vor allem um die interne Wirkung auf die Stammwähler, die durch die scharfe Abgrenzung angesprochen werden sollten. Das habe natürlich auch mit Neid zu tun. "Das ist die strategische Logik Großer Koalitionen. Schließlich werben beide um ähnliche Zielgruppen. Der Neidreflex ist sicher geringer, wenn eine große und eine kleinere Partei eine Koalition bilden."

SP-Klubobmann Josef Cap meint gegenüber der Furche dazu: "Wir wollen für die Bevölkerung arbeiten und uns nicht durch kindische, koalitionsvergiftende Neiddiskussionen an guten Ergebnissen hindern lassen." Er schreibt manchen VP-Politikern einmal mehr eine "Blockadepolitik" zu. Die ÖVP wiederum pocht auf ihre Konturen. "Mit der Alle-gegen-einen-Rolle kann man aber auch punkten", so Filzmaier.

Um Neid und die daraus resultierende Politikverdrossenheit zu reduzieren, setzt Cap auf Kommunikation, sowie darauf, "Entscheidungsfindungen nachvollziehbar zu machen."

"Die ÖVP will Alfred Gusenbauer auf keinen Fall einen Kanzlerbonus gönnen", sagt wiederum Dieter Brosz von den Grünen. Aber das sei "kein spontaner Neidaffekt, sondern pure Strategie und Taktik."

Cap fügt noch hinzu: "Dass Neid eigentlich keine Kategorie in der Politik sein sollte, auch wenn Oscar Wilde einmal sagte: Die Anzahl der Neider bestätigt unsere Fähigkeiten." Oder anders ausgedrückt: Neid muss man sich erst verdienen. Regine Bogensberger

Eine Neiddiskussion wurde auch im Zuge der Aufregung um die jüngste Pensionserhöhung ausgelöst. Lesen Sie in der nächstwöchigen Furche ein Streitgespräch über den Generationenkonflikt Alt gegen Jung.

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