Tanz der Puppen im großen Welttheater

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Der ägyptische Künstler Wael Shawky verwandelt das Kunsthaus Bregenz in eine Kreuzfahrerburg. In seiner Ausstellung erzählt er anhand der Kreuzzüge von Krieg und Terror unter religiösem Vorzeichen und schlägt so einen bedrückenden Bogen zur Gegenwart.

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Der ägyptische Künstler Wael Shawky verwandelt das Kunsthaus Bregenz in eine Kreuzfahrerburg. In seiner Ausstellung erzählt er anhand der Kreuzzüge von Krieg und Terror unter religiösem Vorzeichen und schlägt so einen bedrückenden Bogen zur Gegenwart.

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In seiner Quaderform erinnere ihn das Kunsthaus Bregenz entfernt an die Kaaba in Mekka, zu der jeder gläubige Moslem bekanntlich mindestens einmal im Leben zu pilgern hat, aber auch an eine mittelalterliche abendländische Festung, sagt der ägyptische Künstler Wael Shawky. Und so verwandelt er den markanten Zumthor'schen Bau für die Dauer seiner "Herrschaft" in eine Kreuzritterburg, was eine riesige, an die seeabgewandte Fassade des Kunsthaus Bregenz gehängte Fahne weithin sichtbar signalisiert.

Aus der Sicht der Ungläubigen

Innen ist das Kunsthaus dunkel, verwandelt in ein sehr spezielles Kino. Vorgeführt werden zwei der drei Teile von Shawkys "Cabaret Crusades", in dem es um die Kreuzzüge geht, dargestellt aus der Sicht der Kreuzzügler -Ungläubige, die es zum rechten Glauben zu bekehren galt. Dass es in Wirklichkeit allerdings mehr um handfeste wirtschaftliche Interessen gegangen ist, wird oft verschwiegen. Nicht jedoch in dem Buch des französisch-libanesischen Autor Amin Maalouf, das er 1983 auf der Basis historischer arabischer Quellen geschrieben hat und auf dem Shawkys Drehbücher basieren.

Es mag als Widerspruch erscheinen, dass sich Shawky historischer Ereignisse bedient. Obwohl er zugibt, eigentlich nicht an Geschichte zu glauben, ist sie für ihn doch "eine menschliche Kreation".

So martialisch wie absurd

Die Geschichte der Kreuzzüge taugt für den international umtriebigen Künstler Shawky allerdings vorzüglich als Metapher, um durch das Umkehren üblicher Blickwinkel den Blick für das zu schärfen, was praktisch an denselben Spielorten heute passiert: Gerade jetzt sind Damaskus, Mossul, Jerusalem oder Aleppo wieder brisante Brandherde, an denen im Namen der Religion die Weltordnung blutig verhandelt wird. Und der in Alexandria lebende Wael Shawky weiß, wovon er spricht, hat er das Scheitern des "Arabischen Frühlings" doch hautnah miterleben müssen.

Dass es dem 45-jährigen Ägypter nicht um ein plattes Nacherzählen historischer Ereignisse geht, zeigt sich schon daran, dass seine Darsteller nicht Schauspieler, sondern Marionetten sind. Kunstvoll gestaltet als eigenartige, vielfältig assoziative Hybride aus Menschen, Tieren und skurrilen Fabelwesen. Gewandet orientalisch üppig in Samt und Seide, ihre Accessoires pittoresk, ihre Rüstungen ebenso martialisch wie absurd. Köpfe und Gliedmaßen des Personals im 2014 entstandenen Teil "Secrets of Karbala" wurden auf Murano mundgeblasen und verweisen so auf die Fragilität menschlicher Existenz, sosehr sich diese auch verrenken mag. Dass Shawky diese zerbrechlichen Kunstkammerstücke ausgerechnet in Venedig hergestellten ließ, hat nicht nur mit der Kunstfertigkeit der dortigen Glaskünstler zu tun, sondern auch damit, dass die mittelalterlichen Dogen tüchtig mit den Anzettlern der Kreuzzüge kollaboriert haben und sich das gut bezahlen ließen.

Die Strippenzieher in diesem auf einer flachen Drehbühne aus Lehm ausgetragenen großen Welttheater bleiben unsichtbar, agieren wie immer im Out. In ihrem Namen wird gelogen, betrogen, gebrandschatzt, gemordet. Wirkliche Sieger gibt es keine, üble Kriegsgewinnler dagegen schon. Die Puppen sprechen -untertitelt auf Englisch -Hocharabisch, stimmungsvoll untermalt von traditioneller und zeitgenössischer arabischer Musik. In dem zwei Jahre vor "Secrets of Karbala" entstandenen Film "The Path of Cairo" geht es um den Zweiten Kreuzzug, zu dem Papst Eugen III. 1147 aufgerufen hat. Die Köpfe und Körper der Marionetten sind auch hier eigenartig berührende Zwitterwesen -diesmal allerdings aus Keramik geformt.

Theatralisch und reizvoll

Die Puppen aus den Filmen hat Wael Shawky theatralisch erleuchtet in eine riesige Vitrine im Erdgeschoß des Kunsthauses bzw. auf ein Sideboard im zweiten Obergeschoß gestellt. Ein Stockwerk darüber lässt er ein reizvoll zwittriges, aus Stahl, Holz, Bitumen, Draht und Gummi gemachtes Ding aus Flugzeug und Drache landen -auf dejener "Kreuzfahrerfahne", die sich von der Fassade scheinbar ins Kunsthausinnere fortsetzt. Umstellt von großen Spiegeln, in die jene klassischen vorderasiatischen Ambienti geätzt sind, die im Moment gerade durch Kriege wahrscheinlich unwiederbringlich zerstört werden.

Wael Shawky bis 23. Oktober, Kunsthaus Bregenz Di bis So 10-18 Uhr, Do bis 20 Uhr www.kunsthaus-bregenz.at

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