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"Orpheus in der Unterwelt" als Eröffnungspremiere der Volksoper.

Mit seiner ersten Premiere möchte ein neuer Theaterleiter für gewöhnlich zeigen, wo es in Zukunft lang gehen wird. An den Beginn seiner Direktion der Wiener Volksoper stellte Robert Meyer Jacques Offenbachs Operette Orpheus in der Unterwelt. Falls diese Aufführung tatsächlich eins zu eins auf die Intentionen des Direktors schließen lässt, so wird in Hinkunft die Umkehrung des Prinzips "Prima la musica, poi le parole" zur Anwendung kommen. Erst die Worte, dann die Musik, scheint Meyers Devise zu sein, was angesichts dieses durchaus gelungenen Orpheus keineswegs naserümpfend gemeint ist.

Eigentlich hätte man sich denken können, dass der ehemalige Burgschauspieler allergrößten Wert auf Text und Spiel legt - wenn es sein muss, auch auf Kosten von Musik und Gesang. Konsequenterweise verweigert er sich auch dem Diktat, die Werke des Musiktheaters um jeden Preis in der Originalsprache auf die Bühne zu bringen. So ließ er für Orpheus in der Unterwelt eigens für die Volksoper eine brillante, intelligente Textfassung von Peter Lund erstellen (Dramaturgie: Christoph Wagner-Trenkwitz), die dem Vorurteil, Operetten seien etwas für geistig minder Bemittelte, Hohn spricht.

Text kommt vor Musik

Mit Ausnahme von Sebastian Reinthaller, der in der Titelpartie darstellerisch und stimmlich blass bleibt, agieren singende Schauspieler und glänzend spielende Sänger in der Parodie auf die griechische Mythologie. Peter Matic als ewig junger Greis Hans Styx (man kann sich schon auf Robert Meyer in der Zweitbesetzung freuen) und Gerald Pichowetz als dickbäuchiger Amor können stimmlich mit so manchem hauptberuflichen Sänger mithalten. Dass Erni Mangold überhaupt nicht singen kann, macht gar nichts. Sie gibt die öffentliche Meinung im Outfit eines vulgären Boulevard-Reporters, die den Göttern unbemerkt die Herrschaft über die Welt abgenommen hat.

Helga Papouschek (Juno) muss erst gar nicht singen. Als Sänger und Schauspieler überzeugen die koloratursichere Jennifer Bird als notgeile Eurydike und der mächtige Carlo Hartmann als zur Witzfigur verkommener Göttervater Jupiter. Christian Baumgärtel als dämonisch-viriler Pluto macht sängerische Defizite durch hervorragende Darstellung locker wett. Das ist eben die Schwierigkeit bei diesem Werk: Orpheus in der Unterwelt ist als erste abendfüllende Operette der Musikgeschichte für Opern-, nicht für Operettentenöre geschrieben, schließlich gab es ja das Genre bis dahin nicht.

Dass die Musik eine untergeordnete Rolle spielt, setzt sich im Orchestergraben fort. Sich auf die relativ kleine Besetzung der Uraufführung von 1858 stützend, halten sich Dirigent Florian Ludwig und das Volksopernorchester zugunsten des gesprochenen und gesungenen Wortes zurück. Allein beim berühmten Höllengalopp lassen sie Funken sprühen. Die Ouvertüre, die ja aus der Feder des Dirigenten der Wiener Erstaufführung stammt, wurde weggelassen.

Behutsam aktualisiert

Auch die Inszenierung dürfte paradigmatisch dafür sein, was Direktor Meyer für die Volksoper vorschwebt: Helmut Baumann hat die Geschichte behutsam in die Gegenwart verlegt, vorsichtig darauf bedacht, ein traditionell gesinntes Publikum nicht vor den Kopf zu stoßen. Dennoch verweigert sich die Aufführung nicht der Realität: Wie Eurydike auf einen Joint reagiert, den ihr Pluto reicht, ist ziemlich lebensnahe.

Das Genre Operette wird nicht denunziert, es gibt kein dümmliches Geblödel, sondern richtige - man ist fast geneigt zu sagen: große - Komödie. Sogar auf nackte Tatsachen verzichtet Baumann den Volksopernbesucherinnen zuliebe, obwohl sich das gerade bei Orpheus in der Unterwelt anböte. Tatsächlich aber wirkt Jennifer Bird in knappen schwarzen Dessous wesentlich erotischer, als dies barbusige Statistinnen täten. So akzeptierte das begeisterungswillige Publikum sogar, dass der Höllengalopp nicht als rockschwingender Cancan, sondern als energiegeladener Tanz der Teufelinnen (Choreografie: Roswitha Stadlmann) dargeboten wurde.

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