Tanz mit den Donaunebeln

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Eugenie Kains feinsinnige erzählungen.

Laut kreischende Vogelschwärme über dem Hafen von Linz, der auflodert, wenn sich "das Abendrot zwischen den spiegelnden Metallzylindern mit den Treibstoffreserven der Stadt verfängt". Hier liegen Lastkähne in Dreierreihen vor Anker, Wellen züngeln an die Bordwand. Manchmal hört man den "Ruderschlag einer Zille".

Linz und Schauplätze an der Donau geben zahlreichen Texten der oberösterreichischen Autorin Eugenie Kain die Pigmentierung ihrer Heimat. Auch viele der neun Erzählungen ihres neuen Prosabandes, von denen manche durch Motive und Figuren miteinander verwoben sind, sind in Linz angesiedelt, wo sie geboren ist und lebt.

Kains Erzählungen belichten das Leben in einer Stadt im Sog ihrer Veränderungen. "Ich sammle Geschichten, bevor sie verblassen, verstummen, sich auflösen im offenen Raum des Vergessens", heißt es einmal. Wer Kains Bücher kennt, weiß, dass es nie das Große und Eitle ist, das sich in den Vordergrund schiebt. Das Unfassbare brennt oft im Unscheinbaren. "Der Mensch reist immer vor sich her." Ihre reduzierte, dichte Prosa konzentriert sich auf die Ecken und Kanten von Schicksalen, denen das Leben oft neue Kulissen abverlangt, manchmal auch in grenzgängerischem Ineinandergleiten von Traum und Realität. Kains fein nuancierter Blick gleitet zu den Nebenschauplätzen, in die kleinen Verästelungen der Seele. Sie schildert Aufbrüche und Aufgebrochenes, Geschichten mit überschaubarem Horizont, beispielsweise von der krebskranken Pensionistin Rosa Estl, die zur Vogelbeobachterin wird, oder von einem jungen Mann, den seine Frau plötzlich mit ihrem gemeinsamen Kind zurücklässt, weil sie in Tamanrasset den Spuren der Dassin Ult Ihemma nachgehen möchte. Dann wieder kippt die Sprache ins Symbolische, zu den Tieren Bruno und Hansi, die die Veränderungen der Landschaft und der Arbeit reflektieren. Auf der Suche nach dem roten Klang sinken sie in einen philosophischen Diskurs über Träume, Vergessen, Gegenwart und Vergangenheit und lassen sich schließlich in die Unendlichkeit katapultieren.

Dann ist da auch ein Schneckenkönig, der früh gelernt hat, "sich schmal zu machen". Er will unsichtbar sein, ja verschwinden. Sichere Zuflucht gewährt ihm nur der Rocksaum der Großmutter. Nach ihrem Begräbnis wird ihm die Welt zu eng und die Sehnsucht zu groß. Die derbe, brüllende Art seines Vaters ist ihm fremd. Er geht hinaus zum Hafen und richtet sich auf der Linde über der brennenden Lagerhalle auf eine lange Zeit der Dürre ein.

Zarte Metaphorik

Auch das Furchtbare, Bedrängnis oder Scheitern stehen als gewöhnliche Pfeiler im Leben wie selbstverständlich da. Am Schicksal ihrer Figuren zeigt Kain, dass Unabwendbares still ins Leben geflochten ist. Aus den kurzen, sehr präzisen und oft stakkatoartig aneinandergereihten Sätzen leuchtet dabei oft eine zarte Metaphorik. Denn Kains Erzählungen sind getragen von einem feinsinnigen "Grundton, der anschwillt und sich wieder zurücknimmt mit der Stimme der Donau und dem Wind, der aus den Bergen auf das Land fällt". Das erinnert an die Geschichte der Frau auf dem Tankschiff, die ihre Gedanken in die Stromkilometer der Donau spinnt und voller Sehnsucht auf den rumänischen Matrosen Rasvan wartet, obwohl sie die Geliebte des Tankstellenpächters ist.

"Tanze mit den Donaunebeln und den Wellen und den Schneefahnen und den Kondenswolken aus den Schloten … Sieh zu, dass deine Geschichte zu schwingen beginnt. Nur so kann sie berühren." Der unerschütterlichen Forderung der Musen in der ersten Erzählung hat Eugenie Kain fest vertraut.

Schneckenkönig

Erzählungen von Eugenie Kain

Otto Müller 2009

120 S., geb., e 18,00

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