Tanz total - ein Wiener Wunder

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Das Festival "ImPulsTanz" ist eine 25-jährige Erfolgsstory. Von 10. Juli bis 10. August wird Wien wieder ein Weltzentrum des Tanztheaters.

Die Pendelbewegung eines Armes versetzt zwei Tänzerinnen und mit ihnen den ganzen Raum in Schwingung. Eine komplizierte Phasenverschiebung lässt eine Performerin sich scheinbar irren. - Mich, da unten im dunklen Theaterrund, erinnert die Szene an ein Tennisspiel, bei dem zwei Gegnerinnen bei Sonnenhöchststand solange gegeneinander losdreschen, bis sich in Zehntelsekunden der Erschöpfung kleine Konzentrationsschwächen zeigen.

Work in progress

Grausam und wundervoll geht es in "Eight Lines" von Tanzikone Anne Teresa de Keersmaeker zu, einem neu gestalteten Part ihres Work in Progress "Steve Reich Evening". Gewidmet ist dieses sich ständig wandelnde Projekt dem liebsten musikalischen Ideengeber der belgischen Starchoreographin seit 25 Jahren, Steve Reich.

Ja, wieder einmal tauscht man frohgemut das blaue Opal der Sommerabendluft mit dem dämmrigen Theatersaal. Ja, es ist Zeit, das "aufregendste und glitzerndste Tanzfestival Europas" (so dessen künstlerischer Mentor Ismael Ivo) anzukündigen, das mittlerweile in sein 25. Jahr geht: Keersmaekers "Steve Reich Evening" bildete heuer das Vorspiel zu "ImPulsTanz".

Jene zierliche Frauengestalt, die 1982 als knapp Zwanzigjährige mit ihrem "Fase - Four movements to the music of Steve Reich" dem europäischen Tanz eine neue Wendung gab, sie erspürt die Musik. "Steve Reich Evening" erhellt die transparente Logik von Reichs Musik, die auf Phasenverschiebungen beruht und im Lauf der Jahre immer komplexer und raffinierter wurde.

In "Eight Lines" treten Frauen, in leichte Kleider gehüllt, in einen Lichtkreis ein, tanzen aber auch kleine, isolierte Soli im halbschattigen Abseits. Es herrscht ein stimmungsvoller, femininer Teamgeist. Der Tanz kämpft einmal eigensinnig mit den repetitiven Strukturen von Reichs Musik, spielt dann wieder ungezwungen mit ihnen, nimmt ihren Atem auf, um eigene Variationen auszudrücken. Bewegungen und Phrasen suchen sich ihren Weg aus dem Flechtwerk der Töne und Frequenzen - ein melodieloses "Hallelujah", das zeigt, was Tanz kann und sein kann.

Die Minimalistin Keersmaeker feiert 25 Jahre ihres Dialogs mit dem Minimalisten Reich: Das ist, als würde die Tochter mit dem Vater über ihre Kindheit plaudern und dabei noch einmal erwachsen werden.

Den Kinderschuhen längst entwachsen ist "ImPulsTanz". Das Wiener Festival blickt auf eine "25-jährige Erfolgsstory" zurück, wie Direktor Karl Regensburger und Ismael Ivo, gleichzeitig Leiter der Sektion Tanz der Biennale in Venedig, stolz verkünden. Ursprünglich als Plattform für den künstlerischen Austausch von Tänzern und Tanzbegeisterten gegründet, kann das Festival sich mit den Namen fast aller Tanzgrößen unserer Zeit schmücken, die hier schon auftraten. Und "ImPulsTanz" trug maßgeblich zur Etablierung einer zeitgenössischen Tanzkunst im damals verschlafenen Wien bei.

Tanzgrößen in Wien

Heuer stehen vom 10. Juli bis zum 10. August Gastspiele unter anderem von William Forsythe, Wim Vandekeybus, Jan Fabre, Akram Khan mit dem National Ballet of China, Mathilde Monnier und Stammgast Anne Teresa de Keersmaeker mit ihrer neuesten Performance "Zeitung" auf dem Programm. Das österreichisch-französische Kollektiv Superamas kommt mit "Art & Politics", Hubert Lepka realisiert ein "dinner mit jerome" in einem Restaurant, wo den speisenden Gästen nicht auffallen soll, dass sie zur Kulisse werden. Der Salzburger Roderich Madl präsentiert Hip-Hop-Star Silke "Silk" Grabinger. Und Chris Haring den dritten Teil seines "Posing Project" mit dem klingenden Titel "The Art of Garfunkel" im Project Space der Kunsthalle Wien.

Bei einer Gala im Burgtheater (14. + 16. 7.) werden das Ballett der Pariser Oper, das russische Mariinsky-Kirov-Ballett - unter der Choreographie von William Forsythe - und die Compagnie Marie Chouinard einen Hauch aus der großen Welt des Balletts hereinwehen lassen - ein ungewöhnliches klassisches Gegengewicht zu den modernen Performances und Tanzinstallationen.

Opulente Exotik

Für der Eröffnung am 10.7. gibt man sich exotisch: Roysten Abel aus dem indischen Bundesstaat Rajasthan präsentiert im opulenten Gesamtkunstwerk "The Manganiyar Seduction" eine Musikerkaste aus der Wüste Thar. Der Mann der "großen Gesten und kleinen Kuben" probt in einem erstaunlichen Setting, einer Schrankwand, unterteilt in 38 menschengroße Höhlen, die Verführung der Seele. Wird der Blick freigegeben - durch das Wegziehen eines Vorhangs - fällt er auf einen weißgewandeten Instrumentalisten, der im Schneidersitz seiner Kamanche, einem indischen Cello, den erstickten Schrei der Liebe abringt. Ein kaspernder Dirigent gibt einem Musiker nach dem anderen seinen Einsatz, im Glühlampenlicht wird alles rosig-durchsichtig, wie das Meer bei Michelangelo Antonioni. Musik schwillt an und ebbt ab, ein Crescendo bricht, eine neu eingeführte Klangfarbe steht für Erwartung und Hoffnung. Der Mann dreht sich um, lacht ins Publikum. Man hält den Atem an.

Tanzfestival

ImPulsTanz

Vienna International Dance Festival

Museumsstraße 5

1070 Wien

Info + Karten: Tel. 01/523 55 58

Fax: 01/523 16 839

www.ImPulsTanz.com

Eröffnung am

10.7., 21.30 Uhr

Roysten Abel (IN): "The Manganiyar Seduction"

MuseumsQuartier, Hof 1 (Haupthof)

Eintritt frei

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