Taube ohne Ölzweig
Die Ausstellung "ICH gegenüber" im Gurktal kontrastiert alte und neue Sakralkunst.
Die Ausstellung "ICH gegenüber" im Gurktal kontrastiert alte und neue Sakralkunst.
Eine uralte Burg hoch über dem Tal in der Nähe des Gurker Domes war im Verfall begriffen. Heute ist die Straßburg gerettet, Betonmauern und Holzbalken fügen sich harmonisch in die alte Substanz ein. Die Verbindung von alt und neu ist auch das Thema der Ausstellung dieses Sommers. "ICH gegenüber" zeigt einen spannungsvollen Kontrast zwischen alter Sakralkunst und den Werken von Künstlern unserer Zeit. Jede Station stellt ein biblisches Thema zur Diskussion, zeigt, wie unsere Zeit mit religiösen Problemen umgeht. Die Ausstellung ist nicht unbedingt leicht zu konsumieren, der Besucher muss nachdenken, seine eigene Phantasie einbringen. Bei manchen Stationen springen diese Beziehungen ins Auge, andere erfordern intensives Schauen und Denken, bei manchen Werken der Gegenwartskunst bleibt man ratlos. Doch sollte dies geschehen, wende man sich an die kompetenten und freundlichen Führer, sie öffnen so manchem Besucher die Augen. Will man etwas aussetzen, so ist es die nicht immer gleich hohe Qualität der Kunstwerke aus alter Zeit.
Gleich im ersten Saal stehen einander zwei Plastiken gegenüber: Der "Quellensucher" von Werner Hofmeister und ein Christus, der mit einer Dornenkrone ums Haupt zum Himmel aufsteigt: Der Tod am Kreuz ist die Quelle des Heiles. Dazwischen steht ein riesiger Kreis mit einem goldenen Querbalken wie das Kreuz, das unseren Lebenskreis bestimmt. Ein herrliches Fastentuch von 1530 wird kontrastiert mit einem von Lisa Huber: starke Farben im alten Tuch, zartfarbige Meditationen im neuen. Das Schweißtuch der Veronika ist eines der Mysterien unserer Zeit. Auf einer Altartafel aus dem 13. Jahrhundert reicht Veronika dem unter dem Kreuz gefallenen Jesus das Tuch. Gerold Tusch hat dazu Gesichter des Gekreuzigten aus verschiedenen Epochen im Siebdruckverfahren auf Leinen gebannt und zeigt auf diese Weise, dass sich diese "vera icon" im Lauf der Jahrhunderte nicht sehr gewandelt hat.
Sogar einen feministischen Ansatz kann man in der Ausstellung entdecken: Eine Abendmahlszene aus dem 16. Jahrhundert kontrastiert Felix Orsini-Rosenberg mit einem Tisch, um den herum die Tischrunde im Kreis sitzen kann: Das ist leise Kritik an der Messfeier, die in ihrer Trennung zwischen Altar und Volk mit dem Abendmahl der Apostel nur noch wenig gemeinsam hat. Neben dem Tisch steht ein Paar Frauenpantoffel: Magdalena, die Frau, soll nicht Dienerin sein, ihr werden die Füße gewaschen.
In unserer Zeit sind alte Symbole noch lebendig, aber sie haben eine andere Bedeutung erhalten. Unser Himmel ist noch immer blau, wie ihn eine barocke Tabernakelkugel zeigt. Auch wir sprechen vom blauen Himmel, aber Jochen Traar teilt ihn mit Koordinaten ein, er ist nicht mehr der Ort der Engel sondern der Satelliten. Diesen Wandel unseres Weltbildes stellt auch Melitta Moschik dar: Auf einem Altarbild des 18. Jahrhunderts kommt der heilige Geist als Taube zur Versammlung der Jünger. Heute aber schwebt eine Taube ruhelos über den Bildschirm eines Computers, findet keinen Ort zur Landung, und es ist mehr als zweifelhaft, ob sie jemals einen Ölzweig bringen wird.
Man verlässt die Ausstellung mit dem Wissen, dass religiöse Themen lebendig sind, dass sie uns auch heute noch beschäftigen, auch wenn wir uns dessen nicht immer bewusst sind.
Bis 29. Oktober. Information: 0664/62 02 403
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