Werbung
Werbung
Werbung

Christoph Schlingensief realisierte Elfriede Jelineks "Bambiland" am Burgtheater: Kein Skandal, sondern ein zerfranster Eventversuch.

Keine erwarteten Exzesse, keine Unmuts- oder Jubeläußerungen, keine Erregungsdebatten begleiteten die Uraufführung von Elfriede Jelineks "Bambiland" im Burgtheater. Aktionskünstler, Filme- und Theatermacher Christoph Schlingensief ist ihrem Wunsch nachgekommen und hat der kulturphilosophischen Textflut eine äußere Form gegeben. Oder auch nicht. Die Uraufführung deklariert sich als "zweiter attaistischer Abend" im Rahmen der "Atta Atta"-Veranstaltungen der "Church of Fear" (COF), die sich einerseits auf die Attentäter vom 11. September, gleichzeitig aber auch auf das Reinigungsmittel beziehen. Anarchie und Erlösung am Theater, das nicht mehr stattfindet, sondern einen Diskurs avantgardistischer Theatertraditionen führt. Da hängt uns der lärmende Schlingensief (der Zuschauer bekommt zu Beginn oropax ausgehändigt) nicht nur Antonin Artauds Schmerzens-Glocke um, die zum steten Widerstand gegen alle Theorien zu Politik, Religion und Kunst aufruft, sondern schafft als Günter Brus eine aktionistische Ateliersituation, die sich sogleich selbst ad absurdum führt und im Wohnzimmer seiner Mutter (Brigitte Kausch) landet. Jeder kann Aktionist, jeder kann Talkmaster werden und alles ist medial vermarktete Show.

Jelinek kontrastiert ihre aus Medienslogans montierte Textsammlung mit Aischylos' "Die Perser" und kommuniziert aus der Sicht der Opfer die Niederlage als erste literarische Kriegsberichterstattung. Schlingensief nimmt es wörtlich und nutzt die gesamte Bühnenbreite, um uns mittels Filmprojektionen dem Motto der COF auszusetzen: "Terror für alle": Kein Entkommen vor den Pornos oder den Bildern aus Vietnamkriegslazaretten.

"Bambiland": In der harmlosen Maske eines Rehleins hat die amerikanische Filmindustrie mit dem Josephine-Mutzenbacher-Autor Felix Salten ein goldenes Symbol für Film- und Fernsehverdienste gefunden. Einen Preis für Medienvoyeurismus, wenn der Irakkrieg im heimeligen Wohnzimmer zum kontrollierbaren Spielzeug wird. Schlingensief hat in seiner surrealistisch-trashigen Performance zwei Ebenen inszeniert: Wo das Theater als Chaos zur medialen Figur verkommt, da zeigt der Film, was wirklich ist.

Wie einst die Aktionisten streifen Udo Kier und Margit Carstensen als Aischylos' König Dareios und Atossa durch Wien, verweilen im Sacher, um sich mit Julia Stemberger, Josef Hader, Karin Resetarits u.a. als Gefolge in die Schlacht eines größenwahnsinnigen Geschlechtsaktes in der Staatsoper zu begeben. Sohn Xerxes wird zum ausführenden Kämpfer, zum Helden, dessen weltweit sichtbare Potenz sich aus einer US-Flagge erhebt. Wortwörtlich versteht Schlingensief Jelineks Medienkritik. Echte Pornografie ist Berichterstattung jenseits aller Intimitätsgrenzen.

"Keine Reflexion" wie Jung-Burgstar Dorothee Hartinger in den steten Lärm brüllt, oder nur mehr Diskursivität? Schlingensief unterwandert missionarisch alle Genres mit der Botschaft: "Steckt unsere Häuser in Brand, alles, nur nicht den Fernseher."

Am Ende jedoch zitiert sich der Trash-Star nur mehr selbst, wenn er seine Suche nach Erlösung im Kreuzgang vor dem Hintergrund von Nitschs Orgienmysterientheater nachspielt oder schon Wagners "Parsifal" anruft. Und dann trifft sich der (Anti-)Medien-Meister mit Jelinek in der gemeinsamen Absage gegen das Theater.

"Schlingensief meets Jelinek": selbst medial aufgebaute Erwartungshaltung, der Schlingensief in seiner Gralssuche Erlösung verwehrt. Oder vielleicht doch nur ein einziges Missverständnis? Jedenfalls kein Skandal, aber auch im zerfransten Eventversuch gar kein Bedürfnis danach. Die Uraufführung endete als Filmpremiere mit Nachspann und dröhnender Musik, die den mageren Applaus verpuffen ließ.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung