Terror im hintersten Tirol

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Im auch international erfolgreichen Filmschaffen österreichischer Provenienz kommt das Wort Genre-Kino selten vor. Im Gegenteil: Wenn der heimische Film-Adel Hand an einen Stoff legt - von Michael Haneke über Ulrich Seidl bis Götz Spielmann -, dann geht es zumeist richtig existenziell zu; die großen Fragen des Dasein waren den Filmern hierzulande noch nie zu klein.

Hin und wieder blinkt aber doch auch anderes durch - zuletzt etwa in Marvin Krens "Blutgletscher“, dem auch der FURCHE-Kritiker bescheinigte, ein lupenreiner alpenländischer Horrorfilm zu sein (Nr. 39/2013). Aber eigentlich denkt man zuvorderst an Andreas Prochaska als den österreichischen Genrefilmer. Immerhin hat dieser Regisseur mit "In 3 Tagen bis du tot“ (2006) und dessen Sequel 2008 den Austrohorror filmisch begründet.

Nachdem Prochaska zuletzt mit der "Unabsichtlichen Entführung der Frau Elfriede Ott“ (2010) ins Komödiantische abgewandert und ihm damit auch ein heimischer Kassenschlager gelungen war, trumpft Prochaska nun wieder als Genrefilmer von Gnaden auf. Und als was für einer!

Ein riskantes Unterfangen

Der Alpen-Western "Das finstere Tal“ ist jedenfalls eine überaus erfreuliche Erscheinung am heimischen Filmhimmel, obwohl der Plot an sich wenig Erfreuliches bereithält. Aber dafür darf sich der Zuschauer in den Abgründen der Alpen suhlen und in die verwitterten Mannsgesichter schauen, die da im hintersten Tirol ihr schreckliches Wesen treiben.

Riskant war das Unterfangen Prochaskas zweifellos, denn das Genre Western ist ja längst in die Jahre gekommen, selbst wenn manches Remake oder auch die Coen-Brüder mit ihrem zynischen Händchen ("True Grit“ 2010) bis vor kurzem reüssieren konnten. Aber auch die Brechungen des Italo-Westerns gehören zum Ballast, den Prochaska über Bord werfen musste, um die filmischen Moritaten vom Kampf um Recht und Ehre aus den Weiten der Prärie oder den Schluchten der Rocky Mountains fortzutransferieren und nunmehr alpin zu deuten.

Aber, und das spricht dann doch fürs Genre, das Ringen von Gut und Böse in landschaftlicher Umgebung ist beileibe nicht das Alleinstellungsmerkmal des Westerns. Auch von daher funktioniert der Transfer ins Tirol des 19. Jahrhunderts, wo weitab von jeglicher anständiger Zivilisation eine Bergbauernsippe namens Brenner unter Duldung der Obrigkeit (sprich: des Pfarrers) ein ganzes Dorf terrorisiert.

Unter Duldung der Obrigkeit

Mitten in diesen so nett beklemmenden Zuständen taucht Prochaskas John Wayne auf, um familiär erlittenes Unrecht zu rächen und sich das Mütchen an der schuldigen Sippschaft zu kühlen. Sam Riley hat diese Rolle dieses Kerls namens Greider übernommen, und man merkt, dass nach John Ford oder Howard Hawks ja auch Quentin Tarantino längst Filmgeschichte geschrieben hat, und dass das in "Das finstere Tal“ unübersehbar ist.

Neben den sechs wüsten Brenner-Söhnen, den ältesten, Hans, mimt Tobias Moretti in einer grandios abgründigen Performance, die ihresgleichen sucht, und Hans-Michael Rehberg in der kleinen Rolle des alten Brenner, gibt es auch Gute, damit der Greider auch etwas zum Retten hat. Paula Beer spielt die junge Luzi, die den zarten Lukas (einmal mehr - nach seiner Entdeckung für Karl Markovics’ "Atmen“ - überzeugend: Thomas Schubert) heiratet.

Der Pfarrer hingegen, eine kleine, feine und unnachahmlich gespielte Rolle für Erwin Steinhauer, ist auf der Seite der vierschrötigen Macht. Und somit ebenso präsumtiv ein Opfer für des Greidlers gerechtes Wüten wie eben die ganze Brenner-Sippe .

Beklemmung ist Rhythmus

Doch das grimmige Alpenland wird nicht allein durch das Spiel der Darsteller unüberbietbar düster. Vom ersten Augenblick an hämmert der Soundtrack von Matthias Weber das gegenwärtige und das zu gewärtigende Unheil durch den Kinosaal. Beklemmung ist Rhythmus. Wer das noch nicht erfahren hat, wird es durch "Das finstere Tal“ unter Garantie lernen.

Und die Kamera von Thomas W. Kiennast schafft gleichzeitig Bedrohung durch Bilder wie das Einfangen betörender Alpenpanoramen mitten im Winter und an der Schwelle zum Frühling: Sogar die Bäume beteiligen sich an der Stimmungsmache, die diesen Film ausmacht. Dazu kommt, dass nicht die Sonne, sondern der Nebel das Entscheidend Sichtbare in dem kargen Setting bleibt: Wärme mag es geben, aber nicht hier, wo das Bergland zur Wildnis wird. Und damit ist nicht nur die Natur gemeint. Sondern auch die, die gezwungen sind, auf jenem Flecken Erde ihr Dasein zu fristen, fallen der Roheit anheim. Und man ahnt dann geradezu die Strapazen des Drehs und erkennt fasziniert, wie detailverliebt hier das harte Leben in dieser Gebirgsgegend vor gut 150 Jahren gezeigt wird.

Das Drehbuch von "Das finstere Tal“ fußt auf dem gleichnamigen Romandebüt des Filmjournalisten Thomas Willmann. Im Verein mit Bild, Sound und der mehr als verdichteten Schauspielkunst des gesamten Ensembles gelingt Andreas Prochaska sein bislang größter Wurf.

Das finstere Tal

A/D 2013. Regie: Andreas Prochaska.

Mit Sam Riley, Tobias Moretti, Paula Beer, Thomas Schubert, Erwin Steinhauer, Hans-Michael Rehberg. Filmladen. 114 Min.

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