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Neapels Kunst und Künstler im Liechtenstein Museum.

Hupende Mopeds, tropfende Wäsche hoch über den Straßen, streunende Hunde und Katzen - im Hintergrund der rauchende Vesuv. Klischees einer Stadt, die so weit von der Wirklichkeit gar nicht entfernt sind. Mitunter hat man in Neapel das Gefühl, eine Zeitreise gemacht zu haben. Pier Paolo Pasolini hat die Bewohner einmal überspitzt mit einem Indianerstamm verglichen, der es vorzieht auszusterben, anstatt die Regeln der Zivilisation anzunehmen. Nicht nur Pasolini, auch Filmschaffende wie Roberto Rossellini oder Francesco Rosi waren vom intensiven Lebensgefühl in Neapel fasziniert. Sie haben die Stadt zu Füßen des Vesuv in Streifen wie Viaggio in Italia oder Le mani sulla città festgehalten.

Beim Gang durch die engen Gassen der Altstadt lässt sich an den unzähligen hochkarätigen Kirchenbauten erahnen, dass diese Stadt einst Kunstmetropole war. Der Besuch der Gemäldegalerie Capodimonte lässt keinen Zweifel mehr, dass Neapel im 17. und 18. Jahrhundert zu den großen europäischen Zentren gehört hat. Seit Mitte des 16. Jahrhunderts wuchs Neapel nach Paris sukzessive zur zweitgrößten Stadt Europas - eine Stellung, die es bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts behielt. Zugleich wurde Neapel aufgrund der sozialen Spannungen zwischen Arm und Reich, der Seuchen und der Bedrohung durch den Vesuv stets von Leid geplagt. Im 17. Jahrhundert bezeichnete man es aufgrund des Widerspruchs zwischen äußerer Schönheit und innerer Konflikten als "Paradies, von Teufeln bewohnt".

Im Banne Caravaggios

Für die Kunst Neapels war zunächst der Aufenthalt eines Mannes entscheidend. Als der exzessive Künstler Caravaggio 1606 auf der Flucht nach Sizilien und Malta hier Station machte, prägte sein provokanter Naturalismus ganze Generationen von Künstlern. Caravaggios Umgang mit Modellen von der Straße und seine dramatische Lichtführung waren für seine Nachfolger wie Jusepe de Ribera, Mattia Preti und Massimo Stanzione vorbildhaft. Später bestimmten Luca Giordano, Francesco Solimena und Francesco de Mura mit biblischen und historischen Bildern das Kunstgeschehen, bis die letzte Generation des 18. Jahrhunderts im Gefolge von Goethe hinaus ins Freie zog und die Landschaft rund um den Vesuv malerisch festhielt.

Landschaft um den Vesuv

Um die Entwicklung neapolitanischer Malerei vom 17. bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts zu verfolgen, muss man jetzt nicht eigens nach Italien pilgern. Ein Weg ins Wiener Liechtenstein Museum zeigt an siebzig ausgewählten Beispielen - vor allem aus der Harrach'schen Familiensammlung im Niederösterreichischen Rohrau, aber auch einigen internationalen Leihgaben - die Relevanz dieser Stadt für die Kunst zweier Jahrhunderte.

Zu den Highlights der in den Räumen des ehemaligen Damenappartments präsentierten Schau gehört Mattia Pretis um 1656 gemaltes Altarbild Heiliger Sebastian. Das großformatige Bild aus dem Museum Capodimonte wurde von den Schwestern der Kirche San Sebastiano in Auftrag gegeben, bald aber in eine Privatkapelle transferiert. Angeblich aufgrund der Kritik lokaler Maler, vielleicht aber auch, weil es zu erotisch war. Dass es bereits damals eine enorme Wirkung gehabt haben muss, darauf deuten unzählige Kopien hin.

Erotischer Sebastian

Auch heute noch beeindrucken die starke Untersicht und die ungemeine Dramatik der Darstellung. Preti zeigt Sebastian hier sinnlich verklärt unmittelbar nach seinem Martyrium. Sein zurückgelehnter Körper ist diagonal wie eine Skulptur in den Raum gesetzt. Nicht minder sehenswert Jusepe de Riberas Philosophen-Porträt Protagoras (1637), das durch die individuelle Zeichnung des Gesichts und die expressive Malweise besticht. Beinahe krimihaft spannend erscheint auch Luca Giordanos Interpretation der alttestamentarischen Szene Isaak segnet Jakob (um 1660). Ein locker gemaltes Bild \0x2212 überzeugend durch die psychologische Interpretation der Figuren und die Konzentration auf den spannenden Augenblick des Täuschungsmanövers.

Dass Neapel stets eine kunstsinnige Stadt war, demonstrieren die in der Bibliothek ausgestellten Krippenfiguren mit Terrakotta-Köpfen, Holz-Gliedmaßen und genähten Kleidern. Bis heute gehört die händische detailreiche Herstellung von Krippenfiguren zur Alltagskultur der Stadt unter dem Vesuv.

Unter dem Vesuv

Kunst und Künstler vom 17. bis zum 19. Jahrhundert in Neapel und seinem Umfeld aus der Sammlung Harrach

Liechtenstein Museum Wien

Fürstengasse 11, 1090 Wien

www.liechtensteinmuseum.at

Bis 19. 3. Fr-Mo 10-17 Uhr

Filmreihe Neapel im Film:

27.1. - 1. 2. im Votivkino

Vortragsreihe Neapel im Kontext: 12. 2. - 19. 3.

Katalog hg. von Johann Kräftner, München, Berlin, London, New York 2006, 160 S., Euro 34,-

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