Theater als Ort gelebter Utopie

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Am 13. September eröffnet das Stadttheater Klagenfurt die erste Spielzeit von Intendant Josef E. Köpplinger. Mit der Furche sprach er über seine Pläne und Hoffnungen.

Die Furche: Herr Köpplinger, Sie treten in Klagenfurt das Erbe von Langzeitintendant Dietmar Pflegerl an, der Aufmerksamkeit über Klagenfurt hinaus entfaltet hat, auch wenn die nicht zuletzt den Scharmützeln mit Kärntens Landeshauptmann Jörg Haider geschuldet war. Welche Ziele verfolgen Sie, welche Neupositionierung streben Sie für das südlichste deutschsprachige Mehrspartentheater an?

Josef Köpplinger: Zunächst muss man festhalten, dass in der politischen Schlacht zwischen Pflegerl und Haider auch einiges verloren gegangen ist, und das ist nicht gut für das Theater. Das Theater sollte nicht allein die Reibungsfläche zwischen zwei Personen sein, sondern es sollte Aufmerksamkeit auf sich ziehen und die Leute für sich interessieren durch das, was auf der Bühne passiert, also durch die Künstler und Produktionen. Ich möchte nicht, dass mein Theater zum kulturpolitischen Spielball wird, denn da gibt es immer nur einen Verlierer, und der ist das Theater.

Mir ist der Gedanke wichtig, ein Theater für viele zu machen. Dass man mit Theater sicher nicht alle erreichen kann, weiß ich auch, aber möglichst viele, auch unterschiedliche Menschen, das ist schon mein Ziel.

Die Furche: Und wie wollen Sie die erreichen?

Köpplinger: Mein spezielles Interesse gilt der Vernetzung von Schauspiel- und Musiktheater, und da wir die einzige Landesbühne ohne festes Ensemble sind, eröffnen sich in dieser Richtung Möglichkeiten, nämlich gut schauspielende Sänger oder gut singende Schauspieler nach Klagenfurt zu engagieren. Der Spielplan nimmt darauf auch Rücksicht. Wir werden im großen Haus vier reine Opernproduktionen und zwei Mischformen, eine Operette und mit Jesus Christ Superstar eine Rock-Oper herausbringen. Dem stehen vier Schauspielpremieren im großen Haus und zwei an anderen Spielorten gegenüber. Darunter die Schauplatzproduktion im Bergbaumuseum, wo Gotthelfs Gruselnovelle Die schwarze Spinne inszeniert wird. Der Spielplan der ersten Spielzeit ist auch Ausdruck dafür, dass mir einerseits die Vermischung und andererseits eine Balance zwischen den Genres sehr wichtig ist.

Mehr produzieren können wir augenblicklich nicht, weil das Budget nicht wächst. Ganz im Gegenteil: Wir haben wohl die Valorisierung und die Indexanpassung durch, aber nicht die Anpassung der laufenden Gehälter; das bedeutet pro Jahr ein Prozent Minus, und das ist ziemlich viel Geld. Bei einem Gesamtetat von 17 Millionen Euro entspricht das etwa einer mittleren Produktion.

Daher kann mein Ziel nur sein, mehr Menschen ins Theater zu locken durch einen attraktiven Spielplan und auch dadurch, dass wir mehr Aufführungen spielen. Ein weiteres Ziel ist, die Jugend zu mobilisieren, weil das die "next generation" ist.

Die Furche: Ist nicht gerade das junge Publikum, im Wettbewerb mit anderen Freizeitangeboten, nur mehr sehr schwer für das Theater zu begeistern?

Köpplinger: Möglich. Ich glaube aber, es wird allgemein schon erkannt, dass Theater heute eine wichtige Rolle spielt, indem es Dinge öffentlich verhandelt, sich einmischt, Position bezieht und den Fokus auf Außergewöhnliches lenkt. Unsere erste Schauspielpremiere, Peter Turrinis Monolog Eröffnung, spricht davon, wie wichtig das Theater für die Gesellschaft heute ist. Das Theater ist ein Ort, wo das Unerträgliche, das was wir im Leben gar nicht aushalten können, in gespielter Weise erträglich wird und wo viele Dinge, die wir gar nicht mehr wahrnehmen in unserer hektischen Gegenwart, erst wieder wahrnehmbar werden, weil wir im Theater sitzen und zuhören. Wenn man wirklich zuhören kann, heißt das ja auch, dass man aufnimmt, sich öffnet für das, was man hört. Ich glaube, dass das unabhängig von den Inhalten das Hauptaugenmerk sein muss: unmittelbarer Austausch mit dem, was unsere Seele bewegt und unsere Sinne berührt.

Die Furche: Wie stehen Sie neuen Erzählweisen auf dem Theater gegenüber?

Köpplinger: Ich habe kein Problem, wenn es darum geht, eine Videoprojektion einzusetzen. Solange es einer Theateraufführung und einer Geschichte gut tut, habe ich gar nichts dagegen, das gehört heute dazu. Was ich nicht mag ist, wenn man den Schauspieler dabei nicht mehr versteht, ganz gleich, was da verwendet wird.

Die Furche: Was wünschen Sie sich für Ihre erste Spielzeit?

Köpplinger: Viel Publikum, viele spannende Theaterbegegnungen, glückliche Künstler und die Erkenntnis bei den Politikern, dass die Existenz des Theaters selbstverständlich sein soll und unterstützt werden muss. Theater ist heute eine ganz wichtige Insel, die in den Menschen die Leidenschaften erweckt, wahrscheinlich auch einer der letzten Orte einer gelebten Utopie.

Das Gespräch führte Patric Blaser

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