"Theater muss für Empörung sorgen“

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Mit Ludwig van Beethovens "Fidelio“ feiert Josefstadt-Direktor Herbert Föttinger sein Debüt als Opernregisseur. Die Premiere findet am 17. März im Theater an der Wien statt. Ein Gespräch über Liebe und Revolution.

Wir am Theater haben nur Worte und versuchen sie lebendig zu machen, ihnen Haltungen zu geben, Situationen zu bauen, die zum einen vorgegeben sind, zum anderen neu geschaffen werden. Dadurch werden diese Worte zur Musik. Sie werden erfüllt von den Schauspielern, die das Stück komponieren. Im Musiktheater ist es schon komponiert. Wir müssen nur versuchen, das Stück mit Theater zu erfüllen“, charakterisiert Herbert Föttinger den grundsätzlichen Unterschied zwischen Schauspiel und Musiktheater. Hier feiert der Wiener Theaterdirektor demnächst eine persönliche Premiere: seine erste Musiktheater-Regie. Noch dazu mit Ludwig van Beethovens "Fidelio“ im Theater an der Wien. Föttinger: "Ein tolles Operntheater.“

Bedrohlicher als Zinnsoldaten

Wer ihn für diese Aufgabe gewinnen wollte, weiß er nicht. Möglicherweise Intendant Roland Geyer und Dirigent Nikolaus Harnoncourt gemeinsam. "Eine Ehre und auch ein toller Start“, freut er sich über diese Aufgabe, womit er auf eine ursprüngliche künstlerische Ambition zurückblickt. Denn in seiner Jugend war er ein begabter Pianist. "Wäre nicht der Drang, Theater zu machen, schließlich weitaus größer geworden“, hätte es auch eine musikalische Karriere werden können. Beethoven und Rachmaninow, erinnert er sich, zählten zu seinen Klavierfavoriten.

"Man muss genau auf die Musik hinhören, das macht unendlichen Spaß, weil man so viel entdeckt, so viel Psychologie und Genauigkeit“, beschreibt er seine neue Herausforderung. Ansonsten sieht er sich im Musiktheater mit denselben Themen konfrontiert wie auf der Schauspielbühne: "Es geht um Leidenschaften, Auseinandersetzungen, um Konflikte, die eben mit Musik zu erarbeiten sind.“ "Fidelio“, ist er sich mit Nikolaus Harnoncourt einig, ist ein "instrumentalisiertes Werk. Wir haben es mit einer Ablösung von Machstrukturen zu tun.“

"Der Humus ist die Französische Revolution. Don Pizarro, nicht der König, steht für ein autokratisches System, aber nicht die Pizarros, sondern die Könige bauen die Gefängnisse“, relativiert Föttinger das Bild des meist ausschließlich positiv gezeichneten humanistischen Herrschers.

Für ihn ist diese Beethoven-Oper "eine große visionäre theatralische Utopie. In der Handlung muss gar keine logische Konsequenz liegen“, deutet er das Problem mit dem unterschiedlich genauen Libretto - aufgeführt wird die übliche dritte Fassung - an. Deswegen hat er aus dem vorliegenden Text selbst eine Dialogfassung erarbeitet, "die den Gang der Handlung nicht wie eine Regieanweisung weitertreibt, sondern versucht Konflikte zu realisieren, die letztlich die Handlung vorantreiben“.

Spielen lässt Föttinger "Fidelio“ in den 1920/30er Jahren, "einem Kulminationspunkt von Faschismus“. Für ihn ist diese Form von Autokratie bedrohlicher "als die Zinnsoldaten der Französischen Revolution“. Einen weiteren Fokus legt er auf unterschiedlich gezeigte Liebe: "Auf der einen Seite die von Jaquino und Marzelline praktizierte bürgerliche Liebe, auf der anderen Seite die durch Florestan und Leonore symbolisierte idealisierte Liebe.“

Utopien und Visionen

Und der Minister? Bei seinem ersten Gespräch mit Harnoncourt überlegte er, auf ihn zu verzichten, wozu es dann nicht gekommen ist. "Er bleibt farblos, weil er nur am Schachbrett einzelne Spielfiguren ordnet, der Böse wird weggestoßen, der Gute wird befreit.“ Der Josefstadt-Direktor verweist auf die Schwierigkeit, Don Fernando in seiner Funktion als "deus ex machina“ entsprechend auf die Bühne zu bringen. Wen aber meint der Minister, wenn er vom "besten König“ spricht - einen transzendenten König? Für den Regisseur ein weiteres Problem bei seiner Inszenierung.

"Man kann aus einem Taschentuch ein Kind zaubern. Je länger ich spiele und behaupte, dass es mein Kind ist, umso realer wird es. Aus Freiheitsvisionen kann so plötzlich Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit werden“, beschreibt Föttinger die Möglichkeit, auf dem Theater utopische Visionen zu realisieren. Dieser Utopien und Visionen bedürfe es mehr denn je. "In einer Welt, die nur von Kapitalismus geprägt und sehr wertelos ist, in der Empörung immer mehr abnimmt, wir den Gesetzmäßigkeiten unserer Zeit empörungslos gegenüber stehen, muss Theater für Empörung sorgen, aber auch für theatralische Behauptungen, die eine Art befreiendes Glücksgefühl auslösen, weil wir es gerade dort erleben dürfen“, formuliert Herbert Föttinger sein grundsätzliches Credo, das er nun erstmals im Musiktheater verwirklichen will.

Und geht es nach ihm, dann auch künftig. Schließlich hat er bei den Probenarbeiten "große Lust bekommen“, auch künftig in diesem Metier zu arbeiten.

"Fidelio“

Theater an der Wien

17., 19., 21., 24., 26., 28. März

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