Der ideale Mann - © Foto: Philine Hofmann

„Der ideale Mann" am Theater in der Josefstadt

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Die komische Kraft der (De-)Maskierung

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Die komische Kraft der (De-)Maskierung

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Die österreichische Bundesregierung bietet reichlich Material für Satiren. Seit Barbara Freys Akademietheater-Inszenierung von Oscar Wildes „Der ideale Mann“ (2011), in der Karl-Heinz Grasser Pate stand, haben sich die Verhältnisse nicht gerade verbessert. Die Fassung von Elfriede Jelinek eignet sich ideal, um den Wahrheits-Begriff mancher Regierungsmitglieder unter die Komödien-Lupe zu nehmen.

Für die Josefstadt hat Alexandra Liedtke das Stück nun mit klaren Anspielungen auf die jüngsten politischen Ereignisse inszeniert. Michael Dangl spielt den selbstmitleidigen Politiker Sir Robert Chiltern mit Sebastian-Kurz-Frisur, der eifrig versucht, Briefe verschwinden zu lassen, die den scheinbar moralisch einwandfreien Mann als korrupten Politiker entlarven.

Matthias Franz Stein ist als sein eitler Freund Lord Goring zu sehen, mit türkisen Schuhen tänzelt er übers Parkett der Londoner Salons, liebt Blümchen im Knopfloch und küsst Chiltern und seinen dämonischen Diener Phipps (Paul Matić). Pointiert decouvriert Jelinek die Verbindung von Geld, Sex und Macht. „Vollkommen-verkommen“ heißt es in ihrem sprachverspielten Text; verkommen ist diese dekadente Gesellschaft allemal. In Liedtkes Inszenierung agieren die Figuren wie Marionetten, deren Masken perfekt sitzen und deren akrobatisches Körpertheater ihre Verbiegungen nach außen stülpt.

Vor allem Silvia Meisterle als demonstrativ ehrbare Ehefrau des idealen Mannes verrenkt sich auf beeindruckende Weise, um die Fassade der korrekten HighSociety-Charity-Lady aufrecht zu erhalten. Dass sie in Wirklichkeit zu allem bereit ist, um ihre gesellschaftliche Stellung zu verteidigen, wird spätestens nach der Pause klar. Jederzeit würde sie ihren Körper einsetzen, wenn es um die Karriere geht. Die Kostüme werden von Johanna Lakner raffiniert arrangiert: Im schwarzen Rollkragenpullover wird auf Understatement gemacht, abends trägt Mrs. Chiltern Rüschen-Blusen mit überdimensionalen Schleifen, um sich beim Netzwerken den oberen Zehntausend anzupassen.

Diese Leute sind opportunistische Verwandlungskünstler, die vor allem eines beherrschen: das Verdrehen von Tatsachen. „Gertrude, die Wahrheit ist eine so komplexe Angelegenheit wie die Politik ein komplexes Geschäft ist. In der Politik muss man früher oder später Kompromisse eingehen. Sonst geht man irgendwann mal selber ein“, rechtfertigt sich Sir Robert gegenüber seiner Frau. Auch die Bühne dient als Spielboden für Haltungslosigkeit: Diese Leute haben kein Rückgrat, dafür umso mehr Ausreden. Hinterzimmer und doppelte Böden machen es den Chilterns möglich, Auswege aus der Misere zu finden.

Dazwischen aber zittert der vermeintlich „ideale Mann“ um sein Amt, dass er fällt, ist absehbar. Im Stück fällt er jedenfalls in der Hierarchie nach oben. Liedtkes Inszenierung bringt die komische Kraft der (De-) Maskierung und die feine Klinge des Jelinek’schen Wortwitzes zur Wirkung. Viel Applaus.

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