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Einblick ins Walhalla der Wagnerianer

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Die „Pappendeckelfelsen”, das „Schminkwesen” und daß seine Gestalten „gemummt werben” mußten, das störte Richard Wagner so sehr, daß er am liebsten „das unsichtbare Theater erfinden” wollte. Dabei war ihm anderseits die Szene wichtiger als sogar die Musik. Und das „unsichtbare Orchester” zumindest hatte er für sein Festspielhaus ja bereits erfunden. Der Hauptgewinn dabei war, daß selbst schwächere Sänger nicht vom Orchester gedeckt werden konnten.

Frederic Spotts, nach einer diplomatischen Laufbahn Dozent am Center for European Studies in Harvard, legt in seiner Geschichte der Bayreuther Festspiele ein mit Liebe, klarem Blick und künstlerischem Schwung geschriebenes, kulturhistorisches Dokument vor. Wenn er dabei den erstaunlich professionellen, hohen Sachverstand des glühenden Wagnerianers Hitler ausführlich belegt, macht er vom Vorrecht des außenstehenden Forschers in einem Ausmaß Gebrauch, wie es einem Autor deutscher Zunge niemals zustände. Freilich macht Spotts auch deutlich, wie sehr Hitler die Festspiele, die er finanziell über Wasser hielt, gleichzeitig politisch mißbrauchte.

Das Festspielhaus „ist der größte freistehende Holzbau, der jemals errichtet wurde”. Der Opernchor gilt seit 1876 als der beste der We.t. Die Bayreuther Musiker verlangen vom Dirigenten Professionalität unc absolute Beherrschung der Partitur, weshalb sie 1966 Pierre Boulez ablehnten.

Spotts macht die umfassence Genialität Wagners selbst als Regisseur und Sänger (!) deutlich. Der nächste große Regisseur war sein Sohn Siegfried. Nach dem Kriege war dessen Sohn Wieland der geniale Nachfolger. Als der 1966 starb, begann dessen Rruder Wolfgang die Arbeit seines berühmteren Bruders auszulöschen. Erst als Bayreuths Stern zu sinken begann, wurden Regisseure „von außen” geholt. Diese wurden aber in immer größere Extrenjie der Originalität und Provokation getrieben, bis es schwer vorstellbar wurde, ein Festspielpublikum aus dem Gleis zu bringen.

Doch bleibt die Frage nach wie vor ungeklärt, wo die Interpretation aufhört und die Vergewaltigung beginnt.

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