Theologischer Krieg schon vor der Synode

19451960198020002020

Kardinal Kasper pocht - mit dem Papst im Rücken - auf Barmherzigkeit. Sieben Kardinäle widersprechen öffentlich um der "Wahrheit" und des "Rechts" willen. (Heilsame?) Polarisierungen an der Kirchenspitze.

19451960198020002020

Kardinal Kasper pocht - mit dem Papst im Rücken - auf Barmherzigkeit. Sieben Kardinäle widersprechen öffentlich um der "Wahrheit" und des "Rechts" willen. (Heilsame?) Polarisierungen an der Kirchenspitze.

Werbung
Werbung
Werbung

Der Papst wolle eine offene Debatte. Diese dürfe jedoch nicht zum "Krieg der Lehrmeinungen" ausarten. Derart äußerte sich der emeritierte Kurienkardinal Walter Kaspar zu einer in Italien heiß diskutierten Buchpublikation, die am 1. Oktober erscheinen soll. Der emeritierte Kurienkardinal wendet sich gegen fünf Amtsbrüder, darunter Glaubenskongregationschef Gerhard Ludwig Müller, die in diesem Buch "In der Wahrheit Christi bleiben" darlegen, die katholische Kirche habe keine Möglichkeit, geschiedene Wiederverheiratete zu den Sakramenten zuzulassen. Auch wenn Kasper das nicht will: Ein Richtungsstreit zwischen konservativen Hardlinern und offeneren Kardinälen und Bischöfen, wie ihn die katholische Kirche selten gesehen hat, ist sichtbar. Wobei Kasper, dessen Referat "Das Evangelium von der Familie", das er im Februar vor dem Kardinalskollegium hielt, schon damals auf Widerstand gestoßen war. Kaspar hatte dort vor allem auf die "Barmherzigkeit" als das Kriterium auch beim Umgang mit Beziehungen bzw. deren Scheitern gepocht - übrigens mit kaum verhohlener Unterstützung durch Papst Franziskus (vgl. FURCHE 11/2014).

Die Diskussionen sind für katholische Verhältnisse stärkster Tobak, denn die fünf Kardinäle - neben Müller die Emeriti Walter Brandmüller und Velasio De Paolis, der Leiter des obersten Kirchengerichts, Raymond Leo Burke, sowie der Erzbischof von Bologna, Carlo Caffarra, geißeln die Thesen von Kasper - und meinen damit auch den Papst. Diese Tatsache löste auch das enorme Medienecho aus. Kurz zuvor hatten sich mit analoger Argumentation zwei andere Kardinäle, der Erzbischof von Mailand, Angelo Scola, sowie der Chef der Bischofskongregation, Marc Ouellet, in einer US-Sonderausgabe der Zeitschrift Communio beteiligt. Ob diese Schrift aber den Weg in den deutschen Sprachraum finden wird, ist ungewiss, heißt doch einer der Herausgeber der deutschsprachigen Communio Walter Kasper, gegen den das vereinte konservative Sperrfeuer ja gerichtet ist.

Vorkonziliar ausgerichtetes vs. konzilsbewegtes Kirchenlager

Doch nicht nur das vorkonziliar ausgerichtete Kirchenlager argumentiert in aller Öffentlichkeit. Für Konzilsbewegte befreiend sind "Erwartungen eines Diözesanbischof", die Johan Bonny, Bischof von Antwerpen, zur Familiensynode angestellt hat, und in denen er den Päpsten Paul VI. und Johannes Paul II. unverblümt vorwirft, in Fragen von Ehe, Sexualität und Familie mit der vom Konzil geforderten Kollegialität von Papst und Bischöfen gebrochen zu haben (www.kerknet.be/admin/files/assets/subsites/4/documenten/SYNODE_UBER_DIE_FAMILIE_D. pdf). Kurz vor der Synode ist auch der von Margaret A. Farley verfasste Band "Just Love" auf Deutsch erschienen, in dem die US-amerikanische Ordensfrau und Ethikerin eine "neue christliche Sexualmoral" entwickelt. Farley war im Jahr 2012 von der Glaubenskongregation gerügt worden, weil sie in diesem Buch zu Homosexualität, Ehe, Scheidung, Wiederverheiratung oder Masturbation Positionen vertrete, "die in direktem Widerspruch zur katholischen Lehre auf dem Gebiet der Sexualmoral stehen". Leider setzt sowohl der Titel der deutschen Ausgabe "Verdammter Sex" als auch die PR zu dem Buch auf den (verkaufsfördernden?) Konflikt mit Rom, sodass eine unaufgeregte Auseinandersetzung mit den Positionen darin erschwert wird.

Analoges gilt aber auch für die oben beschriebene breite Front der konservativen Hardliner, die auf der Bischofssynode am liebsten den Status quo in Sachen Ehe und Familie fortschreiben möchten. Dass dies wohl kaum im Sinn von Franziskus sein dürfte, steht auf einem anderen Blatt.

Verdammter Sex

Für eine neue christliche Sexualmoral.

Von Margaret A. Farley

Theiss Verlag 2014.

414 Seiten, geb., € 30,80

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung