Tiefe Gefühle und Gier nach Gold

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Kraftvoll und mit großem Einsatz präsentierten sich Bolcoms "McTeague" in Linz und Puccinis "Madama Butterfly" in Klagenfurt. Wegen einer Bombendrohung wurde die Puccini-Premiere jedoch abgebrochen.

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Kraftvoll und mit großem Einsatz präsentierten sich Bolcoms "McTeague" in Linz und Puccinis "Madama Butterfly" in Klagenfurt. Wegen einer Bombendrohung wurde die Puccini-Premiere jedoch abgebrochen.

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Un bel dì vedremo", eines Tages sehen wir ...: Liana Aleksanyan vermag als unglückliche Geisha Cio-Cio-San in Giacomo Puccinis "Madama Butterfly" am Stadttheater Klagenfurt nicht nur in dieser großen Arie, sondern auch sonst eine reiche, sehr berührende, emotionale Palette von großer Naivität, Freude wie auch Verzweiflung hinreißend auszudrücken. Leider musste die Premiere gleich danach, mitten im zweiten Akt, wegen einer Bombendrohung abgebrochen werden. Bis dahin erlebt man Meru¯nas Vitulskis als kraftvollen Pinkerton, Gianfranco Montresor als präsenten Sharpless und Anna Pennisi als empfindsame Suzuki. Große Emotionen und Leidenschaften verströmt auch das Kärntner Sinfonieorchester unter Alexander Soddy mit duftigen und schillernden Klängen.

Vom Fernen Osten in den Wilden Westen

Sie lebt in einer Traumwelt fernab aller realen Geschehnisse: So sieht Carlos Wagner die Titelheldin und zeigt die anrührende Oper als Theater im Theater. Vor einer Bühne im Stile eines japanischen Kabuki Theaters sitzen die Zuschauer, meist wie Touristen aussehend, in einem realen amerikanischen Zuschauerraum und beobachten die Geschichte aus Fernost. Leider können die speziell beim Liebesduett sehr zurückhaltenden szenischen Gefühle bei Weitem nicht mit den hochemotionalen musikalischen mithalten.

Von der rührseligen Geschichte aus dem Fernen Osten geht die Opernreise ans andere Ende der Welt in den Wilden Westen, wo ein grober, einfältiger Zahnarzt-Autodidakt dem Gold nachjagt. "McTeague - Gier nach Gold" heißt die Opernrarität von William Bolcom. Der 1938 geborene US-Komponist bedient sich dabei ungeniert im reichen musikalischen Fundus. Seine Musik ist gemäßigt modern und vereint Klänge von Blues, Ragtime, Operette und serieller Musik. Manchmal schimmern auch Musicalklänge durch. Der mit ihm befreundete Dennis Russell Davies, der auch schon 1992 die Uraufführung in Chicago geleitet hat, dirigiert jetzt auch die europäische Erstaufführung am Landestheater Linz. Das Bruckner Orchester kommt mit dem Stilmischmasch an musikalischen Überraschungen ideal zurecht und lässt viele Valeurs und große Exaktheit hören.

Ideen-und temporeiche Inszenierung

Die Protagonisten singen sich beinahe die Seele aus dem Leib. Corby Welch, der für Stephen Gould eingesprungen ist und die schwierige Partie in bewundernswert kurzer Zeit einstudiert hat, singt und spielt den McTeague mit großem Einsatz und beweglichem, höhensicherem Tenor. Çig dem Soyarslan, seine Frau Trina, ist mit leuchtendem Sopran zu hören. Michael Wagner singt seinen Freund und späteren Widersacher Marcus Shouler unheimlich und markig. Karen Robertson ist die komische Putzfrau Maria Miranda Macapa. Auch die vielen kleineren Partien, wie der Hauschor, singen ohne Makel.

Regisseur Matthias Davids hat ideen- und temporeich mit filmschnittartigen Szenenwechseln und Rückblenden inszeniert. Die Häuserkulisse (Mathias Fischer-Dieskau) lässt sich wie durch ein technisches Wunderwerk von der Wüste, wo die Häuser am Boden liegen und über denen immer eine riesige, heiße Sonnenscheibe steht, eindrucksvoll in die Häuserzeile einer Straße von San Francisco wandeln. Die Kostüme (Susanne Hubrich) entsprechen den historischen Westernklischees. Die Figuren sind individuell stark gezeichnet und machen alle glaubhafte Entwicklungen durch.

Dass die Oper letztlich nicht so zündet, der Plot trotzdem immer wieder fühlbare Längen erzeugt, liegt in erster Linie an der seichten, merkwürdigen und nicht immer nachvollziehbaren Story, die auf einem Roman von Frank Norris basiert und deren Libretto von Arnold Weinstein und Robert Altman stammt. Sie handelt vom Aufstieg und Fall des Zahnarztes McTeague um 1900, der in dieser Parabel nach Brechtschem Zuschnitt durch den schicksalshaften Lotteriegewinn seiner Frau einen tiefen, kriminellen Fall erlebt. So wird in diesem kalifornischen Westerndrama bzw. "Zahnarzt-Oper" über Neid, Missgunst und die ewige Verlockung des Goldes viel gehasst. Das Publikum bejubelte alle, auch den anwesenden Komponisten.

Madama Butterfly

Stadttheater Klagenfurt, 12., 14. Feb.

McTeague - Gier nach Gold

Landestheater Linz, 15., 26. Feb.

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