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Wagners "Walküre" in Erl.

Mit Wagners "Walküre" hat Gustav Kuhn nach Rheingold und Götterdämmerung wieder eine "Ring"-Oper auf die Bühne des Passionspielhauses Erl gehievt. Allein der Gedanke setzt schon ein gerütteltes Maß an theatralischer Ambition voraus, das man dem Spiritus rector der Tiroler Festspiele aber gerne zutraut. Kuhn musste "Walküre" mit einfachen Mitteln inszenieren, durch die aufsteigende Postierung des gesamten Orchesters auf der Bühne bleibt für die Szene nur vorne ein schmaler Streifen.

Im schwarzen Overall landet Siegmund in einer heutigen Kleinwohnung (Andrew Brundson mit hellem, nicht unschönem Timbre), Sieglinde (mit angenehmem und vollmundigem Sopran: Gertrud Ottenthal) ist eine typische junge Hausfrau. Der Hunding des Thomas Hay wirkt eher furchteinflößend durch seine Kampfmontur als durch seinen hellen, aber matten baritonalen Gesang. Zuerst fehlt es noch an zugespitzter Leidenschaft, was sich schlagartig mit dem Auftreten Brünnhildes ändert. Mit Reitgerte, engen Reithosen und wehendem Umhang beherrscht sie die gewandelte Szenerie. Die junge Mailänderin Elena Comotti hat auch gesanglich einiges zu bieten: eine tolle Höhe bei den Toio-toho-Rufen sowie ein rührend einnehmendes Timbre, das sie ganz differenziert, bisweilen auch harsch einzubringen vermag.

Im Militärjeep tritt Wotan (Duccio dal Monte mit markant dröhnender Tiefe, sich in der Mittel- und der hohen Lage aber oft in die Deklamation flüchtend) auf, während Gemahlin Fricka (Jutta Oesch mit sehr gut prononciertem und auch säuerlich timbriertem, klangsatt geführtem Mezzo) auf der Gegenseite als Lederbraut mit Motorrad anstatt Widdergespann erscheint. Sieglindes Vision und die Todesverkündigung an Siegmund in der nur aus einigen Würfeln und Quadern bestehenden wilden Gebirgslandschaft geraten zu aufregenden gesanglichen Höhepunkten.

Clou der gesamten Aufführung ist die Auffahrt der acht Walküren auf Moutainbikes. Was für eine Idee! Sie fahren in wohlgeordneter Choreographie auf der Bühne umher und singen natürlich gleichzeitig sowohl chorisch als auch solisitsch wie aus einem Guss, dass einem fast der Atem wegbleibt. (Es sind allesamt Sängerinnen der von Gustav Kuhn gegründeten Accademia di Montegral in Lucca.) In der anschließenden Rechtfertigung vor Wotan läuft Brünnhilde nochmal mit warmtimbriertem biegsamem Sopran zu großer Form auf. Wotans Abschied verbleibt dagegen neben den "Wälse"-Rufen Andrew Brundsons der gesangliche Schwachpunkt, da Duccio dal Monte eher markiert und sich fast ins Falsett flüchtet. Der mit sechs Harfenistinnen umrahmte Feuerzauber gewinnt noch an Imagination durch das Herabgleiten eines blau fluoreszierenden Speeres, der, da nicht Wotan zugehörig, bereits auf die Gralssphäre verweist.

Das Orchester und das Dirigat Gustav Kuhns zu loben hieße Eulen nach Athen tragen. Man merkt, dass hier ein durch alle Tiefen der symphonischen Kunst Bruckners und Mahlers gegangener Mystagoge Wagners "Walküre" tatsächlich von innen heraus zelebriert. Dabei steht ihm ein so diszipliniertes wie jugendlich aufgeschlossenes Orchester zu Verfügung, dessen Kompaktheit und Klangheitlichkeit hervorzuheben ist. Mit blitzender Spielfreude, rhythmischer Nuancierung (der von Kuhn trefflich ausbalancierte Walkürenritt, ein musiktheatralischer Monolith!) und am Ende einlullender Feuerzaubermusik schaffen sie es, die Partitur packend umzusetzen.

Frideon Rosen

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