Tolstois Roman auf die Film-Bühne gebracht

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Joe Wrights filmische Adaption von "Anna Karenina“ inszeniert Leo Tolstois Sittenbild des zaristischen Russlands als überhöhtes Gesellschaftsdrama.

Vivien Leigh hat sie gespielt, Greta Garbo gleich zweimal, Jacqueline Bisset verkörperte sie ebenso wie Sophie Marceau - und jetzt spielt die schmale schöne Britin Keira Knightley jene Figur, deren Geschichte in den letzten hundert Jahren mindestens vierundzwanzig Mal verfilmt wurde: Joe Wright hat "Anna Karenina“ neu für die Leinwand adaptiert, den berühmtesten Roman von Leo Tolstoi, mit der Crème der britischen Schauspielkunst in den Hauptrollen und aus der Feder des arrivierten Theater- und Drehbuchautors Tom Stoppard ("Shakespeare in Love“). "Anna Karenina“ verwebt drei Erzählstränge in der höchsten Gesellschaft des Zarenreiches Ende des 19. Jahrhunderts, allesamt Variationen über das Thema Liebe: Im Zentrum steht Anna, die in St. Petersburg angesehene, pflichtbewusste Ehefrau des Regierungsbeamten Karenin (Jude Law), mit dem sie einen kleinen Sohn hat. Ihr Bruder, der ehebrecherische Fürst Oblonskij (Matthew Macfadyen), bittet sie, nach Moskau zu kommen, um seine Ehe mit Dolly (Kelly Macdonald) zu retten. Als Anna ankommt, begegnet ihr am Bahnhof der schöne Kavallerie-Offizier Wronskij (Aaron Taylor-Johnson, leider zu blass). Die beiden sind voneinander sofort fasziniert. Doch auch Dollys kleine Schwester Kitty (Alicia Vikander) ist von Wronskij begeistert, obwohl ihr der sensible Gutsbesitzer Levin (Domhnall Gleeson) einen Antrag machen will. Als dann bei einem Ball deutlich wird, dass Anna und Wronskij weit mehr als nur höfliches Interesse füreinander hegen, beginnen sich erste Gerüchte zu regen.

Bruch mit den Konventionen des Historiendramas

Joe Wright stellt der Geschichte der Anna, die in der Leidenschaft für den jüngeren Mann ihr Verderben findet, als hoffnungsvolles Gegenstück beinah ebenbürtig die Liebesgeschichte zwischen Levin und Kitty gegenüber, doch das ist nicht der einzige Unterschied zu den meisten der bisherigen Verfilmungen: Joe Wright bricht mit den Konventionen des Historiendramas, seine kühne Adaption spielt mit der Kulisse eines verfallenden Theaterhauses, auf dessen Bühne, Zuschauerraum und Schnürboden viele Szenen inszeniert sind, von der Annäherung zwischen Kitty und Levin über den Ball bis hin zum berühmten Pferderennen. Die Bühne Leben, das Theater als Metapher für den allmählichen Zerfall der zaristischen Gesellschaft, dieses Bild geht auf und holt die Geschichte aus der drohenden Verstaubtheit eines Kostümfilms durch Überhöhung heran an ein modernes Publikum. Ausstattung und Kostüm, in den Händen Jacqueline Durrans und Katie Spencers, sind bemerkenswert: Eine ungewöhnliche Adaption, die den vielen Verfilmungen ganz neue, vor allem visuell spannende Aspekte hinzufügt.

Anna Karenina

GB/F 2012. Regie: Joe Wright. Mit Keira Knightley, Jude Law, Aaron Taylor-Johnson, Emily Watson. Universal. 111 Min.

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