Ton trifft Wort, Wort wird Ton

Werbung
Werbung
Werbung

Dreißig Jahre lang hat William H. Gass an seinem Roman "Der Tunnel“ geschrieben. Als dieser 1995 in den USA erschien, wurde er von Kritikern als einer der wichtigsten Romane der vergangenen Jahrzehnte bezeichnet. Erst sechzehn Jahre später war das monumentale, faszinierende und verstörende Werk (auf Englisch immerhin über 600 Seiten) auch auf Deutsch zu lesen (über 1000 Seiten) - und erregte sofort Aufmerksamkeit. Nikolaus Stingl mühte sich jahrelang mit der Übersetzung der kunstvollen Sprache ab, einer Sprache, die zwischen Hochsprache und Umgangssprache wechselt und Limericks und Sprachspiele bereithält: keine leichte Aufgabe für Übersetzer.

Damit können sich die Organisatoren von "Sprachsalz“ wirklich brüsten: Dass es ihnen gelungen ist, den immerhin 88-jährigen Autor William H. Gass nach Österreich gebracht zu haben - zur einzigen Lesung in Europa. Ein besonderes Geschenk haben sie damit jenen Literaturinteressierten bereitet, die von 14. bis 16. September nach Hall in Tirol gekommen waren, um bei freiem Eintritt deutschsprachige und internationale Literatur zu hören. Besonders starken Andrang löste Martin Walser mit seinen Lesungen aus.

Die Literaturtage "Sprachsalz“ sind für ihre San-Francisco-Verbindungen bekannt: Mit Neeli Cherkovski, Maketa Groves, Jack Hirschman, der gebürtigen Österreicherin Ruth Weiss und der gebürtigen Schwedin Agneta Falk kam "engagierte“ Literatur zu Wort. Wie wichtig "Sprachsalz“ das gesprochene Wort ist, machten nicht nur die Beat-Auftritte deutlich, sondern auch jene von Bas Böttcher, Daniela Dill und Christian Uetz - man konnte hautnah erleben, welchen Genuss es bereitet, Texte nicht zu lesen, sondern zu hören - und zu sehen. Ann und Sam Charters, die beiden Kenner der Beat- und Bluesszene, begeisterten das Publikum mit einer mitreißenden Performance, kongenial unterstützt durch den jungen Tiroler Bassisten Philipp Moll: Ton trifft Wort, Wort wird Ton. "Sprachsalz“ bietet keine Kritikerrunden und kaum Gespräche über Literatur, sondern vor allem Literatur pur, Lesungen im Stundentakt. Und weil Autorinnen und Autoren während des gesamten Festivals anwesend und auf der Sonnenterasse des Parkhotels oder an der Bar anzutreffen sind, gibt es genug Möglichkeiten für persönliche Kontakte. Zum zehnten Mal fanden die Literaturtage "Sprachsalz“ heuer bereits statt. Anfang des Jahres wurde die Initiative als"Beste regionale Kulturinitiative“ mit dem Bank Austria Kunstpreis (dotiert mit immerhin 70.000 Euro) ausgezeichnet.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung