Tour de Force des Alkoholgenusses

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"Saint Amour - Drei gute Jahrgänge": Mit Gérard Depardieu und Benoît Poelvoorde verfilmten Benoît Delépine und Gustave Kervern eine ländliche Vater-Sohn-Geschichte. Amüsant.

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"Saint Amour - Drei gute Jahrgänge": Mit Gérard Depardieu und Benoît Poelvoorde verfilmten Benoît Delépine und Gustave Kervern eine ländliche Vater-Sohn-Geschichte. Amüsant.

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Eine Weinreise: Der Witwer Jean (Gérard Depardieu) und sein Sohn Bruno (Benoît Poelvoorde) haben einander nicht mehr viel zu sagen. Doch bei der jährlichen Landwirtschaftsmesse in Paris kommen die beiden notgedrungen nicht aneinander vorbei. Über Umwege einigt man sich auf eine Reise durch Südfrankreich, in deren Verlauf man viele Promille haben wird und vortrefflich miteinander streiten kann - und zwar im Taxi von Mike (Vincent Lacoste), der die beiden an ihr Ziel, zu dem idyllischen Weinort Saint Amour bringen soll. Benoît Delépine und Gustave Kervern haben mit "Saint Amour" eine Tour de Force des Alkoholgenusses gedreht, eine simple Vater-Sohn-Geschichte, in der lange schwelende Konflikte süffig ausgeräumt werden müssen. Mitunter etwas holprig inszeniert, ist die Komödie dank ihrer beiden Hauptdarsteller doch einigermaßen schrullig und schwungvoll geraten -zumal beide Herren ja auch im echten Leben keine Kostverächter sind, was Alkohol betrifft.

Die Furche: Ihr Film beginnt bei der Landwirtschaftsmesse in Paris, wo Städter auf Bauern treffen. Ein Kulturschock?

Benoît Delépine: Jedenfalls eine skurrile Angelegenheit, weil jeder auf jeden neugierig ist. Wir mussten bei dieser Veranstaltung heimlich drehen, denn da sind Tausende Menschen und wir wollten nicht auffallen. Die Kamera haben wir manchmal hinter Säulen versteckt. Es war aber trotzdem schwierig, unentdeckt zu bleiben, denn Depardieu oder Poelvoorde sind ja sehr bekannt.

Die Furche: Gibt es das Spannungsfeld zwischen dem ländlichen Frankreich und Paris?

Gustave Kervern: Das ist ein Schock für beide Seiten, wenn die plötzlich aufeinandertreffen. Aber es ist kein wirklicher Schock, denn die Bauern sind sehr stolz, dass sie in Paris ihre Tiere herzeigen können, die Atmosphäre ist freundlich und die Pariser kennen sich mit Landwirtschaft nicht aus, sind also meist beeindruckt von dem, was sie sehen. Die Bauern vergessen hier auch mal ihr übliches Gemurmel über die Städter. Wenn die Messe abends schließt, wird viel Musik gespielt und getrunken. Die Bauern können da einmal im Jahr so richtig abschalten.

Die Furche: Ursprünglich war ein weiterer Promi geplant. Den Taxler sollte nämlich

Kervern: Michel Houellebecq spielen: Also Depardieu, Poelvoorde und Houellebecq - da sagten alle: Das schafft ihr nie mit den Dreien! Und es wäre wohl recht kompliziert geworden. Houellebecq wollte dann doch nicht mitmachen, weil gerade die Attentate von Paris auf Charlie Hebdo stattgefunden hatten und er sich nur mehr mit Leibwächtern aus dem Haus traute. Außerdem war es ihm auch zuviel Text. Jedenfalls kommt er jetzt nur in einer kurzen Szene vor. Wir planten um und besetzten den jungen Vincent Lacoste. Das hatte den Vorteil, dass er viel weniger trank, weil er einfach noch jung ist und nicht Houellebecq heißt

Die Furche: Der Film erzählt eine Vater-Sohn-Geschichte. Aber es ist auch eine Weintour. Liegt man völlig falsch, wenn man denkt, dass bei dieser Besetzung beim Dreh tatsächlich echter Wein geflossen sein muss?

Delépine: Wir waren uns eigentlich darüber einig, dass wir gerade bei diesem Film nicht trinken dürfen, sonst würde er niemals fertig werden. Wir haben uns also stark zusammengerissen und auch Gérard hat kaum getrunken. Dafür hat Benoît Poelvoorde mehr getrunken, eigentlich viel mehr. Wir haben das so gehandhabt, dass jeder gemäß seiner Filmfigur gehandelt hat.

Die Furche: Wie viel von der Geschichte haben Sie selbst erlebt?

Delépine: Was das Thema Alkohol angeht, wissen wir tatsächlich, wovon wir reden. Meine Eltern waren Landwirte, das Thema hat also eine besondere Bedeutung für mich. Die Frage, ob ich eines Tages den elterlichen Bauernhof übernehme, hat sich für mich aber nie gestellt. Ich war nämlich ein Versager, um nicht zu sagen eine Vollkatastrophe. Ich hab es einmal sogar geschafft, unseren Traktor zu Schrott zu fahren. Mein Vater hat mich schon recht früh von allem landwirtschaftlichen Material ferngehalten.

Kervern: Eine meiner Lieblingssendungen ist "Bauer sucht Frau". Dass man in dem Milieu nur schwer eine Frau findet, ist wirklich keine Erfindung des Fernsehens.

Die Furche: Als Regie-Duo arbeiten Sie Seite an Seite. Wer macht eigentlich was?

Kervern: Das lässt sich nicht sagen. Wir verfügen beide über ein sehr ähnliches Verständnis für Humor, das fängt schon beim Drehbuchschreiben an. Unser Gradmesser ist es, den jeweils anderen zum Lachen zu bringen. Wenn uns das nicht gelingt, dann ist was faul. Wir lassen uns da sehr von unserer Inspiration leiten, weniger von Fakten oder guten Ratschlägen; es geht immer ums Bauchgefühl, wenn man beurteilt, ob eine Szene stimmig ist. Wir sind grundsätzlich aber gar nicht so entscheidungsfreudig. Manchmal sitzen wir im Schneideraum und denken: War das aber eine miserable Idee

Saint Amour - Drei gute Jahrgänge

F 2016. Regie: Benoît Delépine, Gustave Kervern. Mit Gérard Depardieu, Benoît Poelvoorde, Vincent Lacoste. 101 Min.

Das Gespräch führte Matthais Greuling

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